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Retra – Insel der Schatten: Roman (German Edition)

Retra – Insel der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Retra – Insel der Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne de Pierres
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Feindin. Sie bricht die Regeln.«
    Empört über ihre Worte riss Retra sich los. »Regeln? In Ixion gibt es doch angeblich keine Regeln, und trotzdem geht es hier so streng zu wie in Grave, wenn auch auf andere Art und … weitaus gefährlicher.«
    Charlonge starrte sie an. Retra bemerkte, wie sich etwas in ihren Augen veränderte, als würde eine Schicht abgezogen werden und sie nun tiefer hineinblicken können. »Du lernst schnell, kleine Fledermaus«, sagte das ältere Mädchen. »Aber von Joels Schwester war ja auch nichts anderes zu erwarten.«
    Retra bebte am ganzen Körper. Das war nicht das, was sie hatte hören wollen. Sie hatte Trost gewollt – vielleicht dass Charlonge ihr sagte, die Dinge wären nicht so, wie sie schienen.
    Ein Schluchzen blieb ihr in der Kehle stecken und wurde zu einem Krächzen, als würde ein alter Mensch nach Luft schnappen. Es dauerte einen Moment, bevor sie wieder sprechen konnte. »Joel sagte, ich sollte mich von ihm fernhalten. Warum hat er sich der League angeschlossen? Und wenn sie ihn finden, was geschieht dann mit ihm?«
    »Er wird abgezogen.« Charlonges Lippen zitterten.
    Die kalte Hand der Angst, die sich um Retras Herz geschlossen hatte, drückte fester zu. »Sag mir, woher du meinen Bruder kennst.«
    Seufzend presste Charlonge die Finger auf die Augen. »Wir sind in derselben Nacht hier angekommen – wenn auch von unterschiedlichen Orten – und haben gemeinsam die Aufnahme passiert. Dann sind wir für unseren ersten Zyklus nach Vank gegangen. Anschließend ging es eine Weile so weiter: Wir besuchten zusammen Clubs und Partys. Ich fand es toll hier. Doch er war immer nur ruhelos, und es gefiel ihm nicht, dass ihm die Riper ständig über die Schulter sahen. Er sagte, es erinnere ihn an Grave und seinen Vater, und dass das Jugendkomitee nur Zeitverschwendung wäre. Und dann traf er Eve – Dark Eve. Sie hat ihm diese Ideen in den Kopf gesetzt.« Auf Charlonges Gesicht zeigte sich Wut. »Sie hat … ihn mir weggenommen.«
    Retra biss sich auf die Lippe. Verspürte Charlonge auch ein Kribbeln im Magen, wenn sie Joel sah, so wie sie, wenn sie Markes sah? »Und jetzt hilft er Ruzalia?«
    Charlonge nickte. Ihre plötzliche Wut verwandelte sich in Furcht. Immer wieder flog ihr Blick zur Balkontür. »Ich war hier glücklich. Aber Joel machte sich Sorgen, was mit denen, die zu alt werden, passiert. Er war wie besessen davon. Und schließlich begann er den Älteren zu folgen, bis es langsam unheimlich wurde …«
    »Mein Bruder ist nicht unheimlich«, unterbrach Retra sie hitzig.
    »Andere sahen das anders … sie haben nicht verstanden, warum er unbedingt herausfinden wollte, was nach dem Abzug passiert. Eve hat ihn ermutigt. Eines Nachts fand ich sie … zusammen. Wir haben uns gestritten. Danach ist er nicht mehr zurück nach Vank gekommen. Ich weiß nicht, wo er jetzt ruht.«
    Seltsamerweise fühlte sich Retra schuldig, weil Joel Charlonge enttäuscht hatte. Retra hatte immer an Joel geglaubt und er an sie. »Ich will ihn wiedersehen. Mit ihm reden. Vielleicht kann ich ihn überzeugen, damit aufzuhören.«
    Wieder änderte sich Charlonges Ausdruck. Hoffnung erhellte ihr Gesicht. »Könntest du das?«
    »Vielleicht«, sagte Retra. »Aber ich muss mit ihm reden – allein.«
    Charlonge überlegte eine Weile, bevor sie antwortete. »Dann such ihn wieder. Aber du darfst nicht auffallen. Die Ähnlichkeit zwischen euch ist unverkennbar – die braunen Haare, die braunen Augen, und dann diese ernste Miene. Nach dem Vorfall mit Brand werden dich die Riper im Auge behalten. Wenn sie herausfinden, dass du seine Schwester bist, werden sie dich benutzen, um ihn zu fassen.«
    »Modai beobachtet mich schon jetzt.«
    »Modai?« Charlonge erschrak. »Warum sagst du das?«
    »Ich weiß nicht. Von Anfang an, bei der Aufnahme, haben sie gespürt, dass ich aus anderen Gründen hier bin. Sie haben versucht mich auszutricksen, damit ich es ihnen sage. Ich bin mir nicht sicher, dass ich den richtigen Chip habe. Sie sagten, er wäre provisorisch …«
    »Ein provisorischer Chip!« Charlonge packte Retras Handgelenk und drehte es herum. Das Zeichen schimmerte. Sie starrte darauf und biss sich auf die Lippe. Ihr Gesichtsausdruck machte Retra Angst.
    »Was siehst du?«
    »Es hätte mir schon vorher auffallen sollen, als deine Freunde dich hergebracht haben. Der Chip ist nur vorläufig. Die Gesetze in Ixion sehen vor, dass er auf Veranlassung der Wächter jederzeit widerrufen werden kann. Du musst

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