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Rette mich vor dir

Rette mich vor dir

Titel: Rette mich vor dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tahereh H. Mafi
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Leute! Der wird auch uns verraten!«
    »Niemals kämpfe ich mit dem zusammen!«
    »Vorher bringe ich ihn um!«
    Castles Augen funkeln wütend, verengen sich, und seine Hände bewegen sich blitzschnell durch die Luft, ziehen jeden Teller, Löffel, Becher im Raum zu sich. Dann hält er das alles in der Luft fest und wartet ab, ob noch jemand zetern, schreien, sich beklagen möchte.
    »Niemand krümmt ihm auch nur ein Haar«, sagt er bestimmt. »Ich habe einen Eid abgelegt, Menschen von unserer Art zu helfen, und ich werde ihn nicht brechen. Denken Sie doch mal nach!«, ruft er. »Denken Sie an den Tag, an dem Ihnen Ihre Gabe bewusst wurde! Denken Sie an die Einsamkeit, die Isolation, die Angst! Denken Sie daran, wie Sie von Ihren Familien und Freunden geächtet wurden! Glauben Sie nicht, dass auch er sich ändern kann? Was ist mit euch passiert, Freunde? Ihr verurteilt ihn! Ihr verurteilt einen von eurer Art, der um Zuflucht bittet!«
    Castle sieht angewidert aus.
    »Sollte er irgendetwas tun, das uns schadet und seine Glaubwürdigkeit in Frage stellt – dann könnt ihr über ihn urteilen. Aber zuerst geben wir ihm eine Chance.« Castle bemüht sich nicht, seinen Zorn zu verbergen. »Er sagt, er will uns helfen, unsere Leute zu finden! Er sagt, er will gegen seinen Vater kämpfen! Er verfügt über wichtige Informationen, die wir nutzen können! Wieso sollten wir uns diese Gelegenheit entgehen lassen? Er ist nur ein neunzehnjähriger Junge! Er ist nur einer, und wir sind viele!«
    Die Leute raunen und murmeln, und ich höre Gesprächsfetzen wie »naiv« und »lächerlich« und »Er wird uns alle umbringen!«, aber niemand wird laut, wofür ich dankbar bin. Meine Gefühle überfordern mich komplett, und ich wünschte, es wäre mir egal, was mit Warner geschieht.
    Ich wünschte, ich könnte seinen Tod begrüßen. Ich wünschte, ich würde nichts für ihn empfinden.
    Doch das ist nicht möglich. Nicht möglich. Nicht möglich.
    »Woher wissen Sie das?«, fragt jemand. Eine neue Stimme, ruhig, bemüht um Sachlichkeit.
    Die Stimme neben mir.
    Adam steht auf. Schluckt. Sagt: »Woher wissen Sie, dass er eine Gabe hat? Haben Sie ihn getestet?«
    Castle starrt mich an, als erwarte er etwas von mir, und Adam schaut auf mich, und es kommt mir vor, als hätte ich die gesamte Luft in diesem Raum aufgesogen, als werde ich in kochendes Wasser geworfen, als könne ich meinen Herzschlag nie mehr wiederfinden, und ich flehe bete hoffe wünsche, dass Castle die Worte nicht aussprechen wird, aber er tut es.
    Natürlich tut er es.
    »Ja«, sagt Castle. »Wir wissen, dass er, wie Sie auch, Ms Ferrars berühren kann.«

56
    Es kommt mir vor, als bräuchte ich 6 Monate für einen Atemzug.
    Als hätte ich vergessen, wie man die Muskeln bewegt, als durchlebte ich jeden Schockmoment meines Lebens noch einmal, als versuchte ich Splitter aus meiner Haut zu ziehen. Als wäre ich in ein Kaninchenloch gefallen und ein blondes Mädchen in einem blauen Kleid fragt mich immer wieder nach dem Weg, aber ich kann nicht antworten, weil mein Hals voller Regenwolken ist. Als hätte jemand einen Ozean voller Stille in diesen Raum geschüttet.
    So fühlt es sich an.
    Niemand spricht. Niemand bewegt sich. Alle starren.
    Auf mich.
    Auf Adam.
    Der mich anstarrt.
    Seine Augen sind weit aufgerissen, er blinzelt heftig, über sein Gesicht laufen in rascher Folge Verwirrung, Wut und Schmerz, eine Ahnung von Verrat, Argwohn, komplette Konfusion und neuerlicher Schmerz, und ich japse wie ein Fisch kurz vorm Ableben.
    Ich wünschte, Adam würde etwas sagen. Ich wünschte, er würde etwas fragen, mir etwas vorwerfen, etwas verlangen. Doch er bleibt stumm, betrachtet nur mein Gesicht, und ich sehe, wie das Licht aus seinen Augen verschwindet, wie der Schmerz den Zorn verdrängt und die Fassungslosigkeit sich Bahn bricht, und er sinkt auf seinen Stuhl.
    Schaut mich nicht mehr an.
    »Adam –«
    Er springt auf. Springt auf und rennt hinaus, und ich fahre hoch, folge ihm und höre, wie hinter mir die Hölle losbricht, wütender Tumult, und ich pralle beinahe auf Adam, keuchend, und er fährt herum und sagt:
    »Ich verstehe das nicht.« Seine tiefblauen Augen. So verletzt.
    »Adam, ich –«
    »Er hat dich angefasst.« Das ist keine Frage. Adam kann mir nicht in die Augen schauen und scheint die nächsten Worte kaum über die Lippen zu bringen. »Er hat deine Haut berührt.«
    Wenn es nur das wäre. Wenn es nur so einfach wäre. Wenn da nur nicht dieses Pulsieren in meinem

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