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Rette mich vor dir

Rette mich vor dir

Titel: Rette mich vor dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tahereh H. Mafi
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festzustellen, wo dieser Laut herkommt, und ich falle auf die Knie, versuche Kenji wachzurütteln, doch er rührt sich nicht, reagiert nicht, und ich weiß nicht, was gerade passiert ist.
    Ich weiß nicht, ob Kenji tot ist.

57
    Zweifellos schreie ich.
    Jemand zieht mich hoch, und ich höre Stimmen und Geräusche, um die ich mich nicht kümmere, weil das hier nicht passieren darf, nicht Kenji, nicht meinem witzigen komplizierten Freund, der hinter seinem Lächeln Geheimnisse verbirgt, und ich reiße mich los, entwinde mich dem Zugriff der Hände, stürze blindlings in den Speisesaal, sehe zig verschwommene Gesichter, denn ich suche nur nach einem, dem Mann mit dem dunkelblauen Sakko und den zusammengebundenen Dreadlocks.
    »Castle!«, schreie ich. Meine Knie beginnen zu schmerzen, ich weiß nicht mehr, ob ich zu Boden gestürzt bin, aber es ist mir auch ganz egal egal egal – »Castle! Kenji – bitte – er braucht Hilfe –«
    Ich habe Castle noch nie zuvor rennen sehen.
    Mit übermenschlichem Tempo rast er durch den Speisesaal, an mir vorbei, in den Gang hinaus. Alle anderen springen auf, schreien panisch durcheinander, und ich folge Castle, und Kenji liegt da immer noch. Reglos.
    Viel zu reglos.
    »Wo sind die Mädchen?«, schreit Castle. »Jemand soll die Mädchen holen!« Er versucht den schweren Körper hochzuziehen, bettet Kenjis Kopf in seinen Schoß. So habe ich Castle noch nie erlebt, nicht einmal, als er über unsere vermissten Jungs sprach. Ich blicke um mich und sehe Schmerz in den Augen der Einwohner von Omega Point; einige weinen, umarmen sich tröstend, und ich merke, dass ich Kenji niemals vollständig begriffen habe. Ich habe das Gewicht seiner Autorität nie ermessen können. Ich habe nie verstanden, wie viel er den Menschen hier bedeutet.
    Wie sehr sie ihn lieben.
    Adam ist einer von etwa 50 Leuten, die Kenji aufheben, und nun laufen sie los, hoffen wider alle Vernunft, und jemand ruft: »Sie sind auf der Krankenstation! Bereiten alles vor!« Es ist wie eine Stampede, alle rennen hinterher, wollen erfahren, was passiert ist, niemand achtet auf mich, und ich löse mich aus der Menge, verschwinde um eine Ecke, flüchte in einen düsteren Gang. Schmecke die Tränen, die in meinen Mund fallen, zähle die salzigen Tropfen, weil ich nicht verstehe, wie das passieren konnte, wie es möglich ist, denn ich habe ihn doch gar nicht berührt, ich konnte ihn doch gar nicht anfassen, bitte bitte bitte das ist doch nicht möglich, doch dann erstarre ich. Eiszapfen auf meinen Armen, als ich merke:
    Ich trage meine Handschuhe nicht.
    Ich habe vergessen, meine Handschuhe anzuziehen. Ich hatte es so eilig, heute Abend pünktlich hier zu sein, dass ich meine Handschuhe im Zimmer gelassen habe, nachdem ich aus der Dusche kam, und das kann nicht wahr sein, es kann nicht möglich sein, dass ich das getan habe, dass ich das vergessen habe, dass ich den Verlust eines weiteren Lebens verschuldet habe und ich ich ich
    sinke zu Boden.
    »Juliette.«
    Ich schaue hoch. Springe auf.
    Sage: »Bleib weg von mir«, zitternd. Versuche die Tränen zu unterdrücken, versinke ins Bodenlose, weil ich denke, das war’s jetzt. Das muss meine ultimative Bestrafung sein. Ich habe diesen Schmerz verdient, ich habe es verdient, einen meiner wenigen Freunde getötet zu haben, und ich möchte einschrumpfen und für immer verschwinden. »Geh weg –«
    »Juliette, bitte «, sagt Warner und tritt näher. Sein Gesicht liegt im Schatten. Der Gang ist kaum beleuchtet, und ich weiß nicht, wo er hinführt. Ich weiß nur, dass ich nicht mit Warner allein sein will.
    Jetzt nicht. Und niemals wieder.
    »Ich habe gesagt, bleib weg von mir.« Meine Stimme ist unstet. »Ich will nicht mit dir reden. Bitte – lass mich einfach in Ruhe!«
    »Ich kann dich doch hier nicht so zurücklassen!«, protestiert er. »Nicht, wenn du weinst!«
    »Du verstehst dieses Gefühl doch sowieso nicht«, fauche ich. »Weil es dir nichts ausmacht, Menschen zu töten!«
    Er atmet schwer. Zu schnell. »Wie meinst du das?«
    »Ich meine Kenji!«, fauche ich. »Ich war das! Das ist meine Schuld! Ich bin schuld an dem Streit zwischen dir und Adam, und ich bin schuld daran, dass Kenji schlichten wollte, und ich bin schuld –« Meine Stimme bricht. »Ich bin schuld daran, dass er tot ist!«
    Warners Augen werden groß. »Sei nicht dumm«, sagt er. »Kenji ist nicht tot.«
    Ich bin vollkommen außer mir.
    Ich schluchze, dass ich schuld bin, und natürlich ist er tot, hast du ihn

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