Rette mich vor dir
Hüfte reichen. Ihre Augen glitzern im Neonlicht. »Wenn die uns dann nur hassen werden, warum sollen wir sie dann verteidigen? Das ist doch Unsinn!«
Castle holt tief Luft. »Wir können nicht alle leiden lassen, weil einer sich dumm verhält.«
»Aber es ist nicht nur einer, oder?«, meldet sich eine andere Stimme. »Wie viele werden sich gegen uns wenden?«
»Das können wir nicht voraussehen«, antwortet Castle. »Es könnte nur einer sein oder gar niemand. Ich rate Ihnen allen nur zur Vorsicht. Sie dürfen nicht vergessen, dass diese Zivilisten unschuldig und unbewaffnet sind. Nur weil sie es gewagt haben, Gerechtigkeit zu verlangen, sollen sie ermordet werden. Sie sind halb verhungert, haben ihr Zuhause, ihre Familien verloren. Das kommt Ihnen doch sicher bekannt vor, nicht wahr? Viele von Ihren Familien sind auch auseinandergerissen worden, oder?«
Zustimmendes Gemurmel.
»Sie müssen sich vorstellen, dass es um Ihre Mutter geht. Um Ihren Vater. Ihre Geschwister. Sie leiden und werden angegriffen. Wir sollten wenigstens versuchen, ihnen zu helfen. Wir sind deren einzige Hoffnung.«
»Und was ist mit unseren eigenen Leuten?« Ein kräftiger untersetzter Mann steht auf. »Wer garantiert uns, dass wir Winston und Brendan zurückbekommen?«
Castle senkt nur für eine Sekunde den Blick. Ich weiß nicht, ob nur ich den Schmerz in seinen Augen gesehen habe. »Es gibt keine Garantie, mein Freund. Nie. Aber wir werden unser Bestes tun. Wir werden nicht aufgeben.«
»Aber was hat es uns dann genützt, diesen Jungen als Geisel zu nehmen?«, wendet der Mann ein. »Warum töten wir ihn nicht einfach? Wieso erhalten wir ihn am Leben? Er hat uns nichts gebracht, aber verbraucht hier Vorräte, die uns zustehen!«
Ein Tumult bricht aus. Alle schreien Dinge wie »Tötet ihn!«, »Zeigt’s dem Obersten!«, »Wir müssen ein Zeichen setzen!« und »Er soll sterben!«.
Mir wird eng ums Herz. Ich fange fast an zu hyperventilieren und merke zum ersten Mal, dass die Vorstellung von Warners Tod mitnichten erstrebenswert für mich ist.
Sie versetzt mich vielmehr in Angst und Schrecken.
Ich schaue zu Adam, in der Hoffnung, dass er anders reagiert, aber ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe. Es ist dumm von mir, mich über seine angespannte Miene, die verkniffenen Lippen zu wundern. Es ist dumm von mir, etwas anderes als Hass von Adam zu erwarten. Natürlich hasst Adam Warner. Was auch sonst.
Warner hat versucht, Adam zu ermorden .
Natürlich will auch er Warner tot sehen.
Mir ist übel.
»Bitte!«, schreit Castle. »Ich weiß, dass Sie alle aufgeregt sind! Dem morgigen Tag ins Auge zu blicken ist nicht einfach, aber wir können unseren Zorn nicht an einer einzigen Person auslassen. Wir müssen ihn als Antrieb für unseren Kampf nutzen, und wir müssen zusammenhalten. Wir dürfen uns nicht entzweien. Nicht jetzt!«
6 Sekunden Stille.
»Ich kämpfe erst, wenn der tot ist!«
»Heute Nacht bringen wir ihn um!«
»Lasst es uns jetzt sofort erledigen!«
Die Leute toben, hassverzerrte Gesichter, wild und unmenschlich in ihrer Wut. Mir war nicht bewusst, dass sich in Omega Point so viel Zorn aufgestaut hat.
» HALT !« Castle reißt beide Hände hoch, mit flammendem Blick. Sämtliche Tische und Stühle im Raum haben zu rasseln begonnen, und die Leute schauen verwirrt und nervös um sich.
Castles Autorität wollen sie nun doch nicht in Frage stellen. Jedenfalls im Moment noch nicht.
»Unsere Geisel«, sagt Castle, »ist keine Geisel mehr.«
Unmöglich.
Ausgeschlossen.
Das kann nicht sein.
»Er ist vorhin erst bei mir gewesen«, fährt Castle fort, »und hat um Asyl in Omega Point gebeten.«
Mein Hirn rast, wütet gegen die 15 Worte, die Castle gerade gesprochen hat.
Das kann nicht sein. Warner hatte mir gesagt, dass er verschwinden will. Dass er eine Möglichkeit finden wird, hier herauszukommen.
Doch die anderen sind noch schockierter als ich. Adam neben mir bebt förmlich vor Wut. Ich wage nicht, ihm ins Gesicht zu schauen.
» RUHE ! BITTE !« Castle hebt die Hand, um die empörte Menge zum Schweigen zu bringen.
»Wir haben jüngst festgestellt«, verkündet er, »dass auch Warner eine Gabe hat. Und er sagt, er will sich uns anschließen. Er will morgen mit uns kämpfen. Will gegen seinen Vater kämpfen und uns helfen, Brendan und Winston zu finden.«
Chaos
Chaos
Chaos
bricht aus.
»Er ist ein Lügner!«
»Beweisen Sie es!«
»Dem kann man doch nicht glauben!«
»Der verrät seine eigenen
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