Rette mich vor dir
erleuchtet, überall blinken Maschinen, und der gesamte Bereich scheint zu vibrieren vor Energie.
Ich zähle an die zwanzig dieser gläsernen Kabinen, zehn auf jeder Seite. Erkenne Leute, die ich aus dem Speisesaal kenne. Einige sind auf Maschinen geschnallt, Nadeln stecken in ihren Körpern, piepende Geräte vermitteln irgendwelche Informationen. Türen gleiten auf, schließen sich, öffnen sich wieder. Worte, Raunen, Schritte, Gesten; Gedanken scheinen durch die Luft zu schwirren.
Dies.
Dies ist der Ort, an dem sich alles abspielt.
Vor zwei Wochen – am Tag nach meiner Ankunft – sagte mir Castle, er habe inzwischen eine recht genaue Vorstellung davon, warum wir so sind, wie wir sind. Sagte, die jahrelange Forschung zahle sich inzwischen aus.
Forschung.
Ich sehe keuchende Menschen auf extrem schnellen Laufbändern. Eine Frau mit einem Gewehr in einem Raum voller Waffen. Ein Mann hält einen Gegenstand in der Hand, aus dem eine leuchtend blaue Flamme auflodert. Jemand steht in einem Raum voller Wasser, und überall an der Decke sind Seile gespannt, und in Regalen stehen Chemikalien und Gerätschaften, die ich nicht kenne, und mein Hirn schreit auf und meine Lunge fängt Feuer und das ist alles zu viel zu viel zu viel
Zu viele Maschinen, zu viele grelle Lichter, zu viele Menschen, die Notizen machen, reden, ständig auf Uhren schauen, und ich stolpere vorwärts, schaue zu genau hin und versuche doch, nichts zu sehen, und dann höre ich es. Ich sträube mich dagegen, aber trotz der dicken Glaswände ist es unüberhörbar.
Die grauenhaften dumpfen Laute menschlichen Leidens.
Es schlägt mir ins Gesicht. Schlägt mir in die Magengrube. Springt mir auf den Rücken, explodiert in meiner Haut, schlägt die Krallen in meinen Hals. Ich ersticke an Ungläubigkeit.
Adam.
Ich sehe ihn. Hier, in einem der gläsernen Räume. Mit nacktem Oberkörper. Auf eine Liege geschnallt, Arme und Beine fixiert, Sonden an den Schläfen, der Stirn, oberhalb der Brust, über Kabel mit einer Maschine verbunden. Er kneift die Augen zusammen, ballt die Fäuste, sein Gesicht ist angespannt, weil er nicht schreien will.
Ich verstehe nicht, was sie mit ihm machen.
Ich weiß nicht, was passiert, ich weiß nicht, warum es passiert, weshalb er an einer Maschine hängt, die blinkt und piept, und ich kann nicht mehr atmen und mich nicht mehr regen, und ich versuche mich zu erinnern an meine Stimme, meine Hände, meinen Kopf, meine Füße, und dann
zuckt er.
Sein Körper bäumt sich auf, wehrt sich gegen den Schmerz, bis seine Fäuste auf die Liege schlagen, und er schreit angstvoll auf, und einen Moment lang bleibt die Welt stehen, alles wird langsam, Laute klingen gedämpft, Farben sind verwischt, und der Boden kippt seitwärts, und ich denke, oh, nun sterbe ich wohl. Ich falle tot um oder
ich töte die Person, die hierfür verantwortlich ist.
Das eine oder das andere.
Dann entdecke ich Castle. Castle steht in der Ecke von Adams Raum und sieht tatenlos zu, wie dieser 18-jährige Junge sich in Qualen windet. Castle schaut einfach nur zu, macht Notizen in seinem kleinen Buch, legt den Kopf schief, schürzt die Lippen. Beobachtet den Monitor an der piependen Maschine.
Der Gedanke ist so naheliegend, als er in meinem Kopf auftaucht. Ganz ruhig. Ganz einfach.
Absolut mühelos.
Ich werde Castle umbringen.
»Juliette – nein –«
Kenji umschlingt meine Taille, seine Arme fühlen sich wie Eisenklammern an, und ich glaube, ich schreie, ich glaube, ich benutze Worte, die ich noch nie zuvor in den Mund genommen habe, und Kenji befiehlt mir, mich zu beruhigen, er sagt: »Genau aus diesem Grund wollte ich dich nicht hierherbringen – du verstehst das nicht – es ist nicht so, wie es aussieht –«
Und ich beschließe, dass ich wohl auch Kenji umbringen sollte. Weil er ein Idiot ist.
» LASS MICH LOS –«
»Hör auf, mich zu treten –«
»Ich bring ihn um –«
»Sag das nicht, du kriegst ernsthaft Probleme –«
» LASS MICH LOS , KENJI , ICH SCHWÖRE DIR –«
»Ms Ferrars!«
Castle steht jetzt am Ende des Gangs, vor Adams Raum. Die Tür steht offen. Adam zuckt nicht mehr, aber er scheint ohnmächtig zu sein.
Weißglühende Wut.
Nur das kenne ich noch. Nur das kann ich noch fühlen, und nichts, nichts wird mich von diesem Gefühl abbringen. Die Welt erscheint mir in Schwarzweiß, und sie ist so leicht zu erobern und zu zerstören. Noch nie zuvor habe ich diese Wut empfunden. Sie ist so roh und machtvoll, dass sie schon wieder
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