Rette mich vor dir
ich habe mich noch nie verletzt –«
»Das hat Castle uns erzählt«, sagt Tana. »Aber es ist etwas anderes, durch eine Wand oder eine Tür zu brechen, als die Erde aufzureißen.« Sie lächelt scheu. »Wir sind ziemlich sicher, dass du diesmal viel mehr Kraft aufgewandt hast – wir haben es alle gespürt. Haben gedacht, irgendwo wäre was explodiert. Die Tunnel wären fast eingebrochen.«
»Nein.« Mein Magen fühlt sich an wie Stein.
»Ist aber nicht passiert«, beruhigt mich Randa. »Du hast rechtzeitig aufgehört.«
Mir stockt der Atem.
»Du konntest ja nicht wissen –«, beginnt Tana.
»Ich hätte beinahe jemanden getötet – hätte euch beinahe getötet –«
Tana schüttelt den Kopf. »Du verfügst über erstaunliche Kräfte. Du kannst nichts dafür. Du hast es doch nicht gewusst.«
»Ich hätte euch umbringen können … Oder Adam – ich hätte – « Ich blicke um mich. »Ist er hier? Ist Adam hier?«
Die Mädchen starren mich an. Werfen sich einen Blick zu.
Ich höre ein Räuspern und drehe hastig den Kopf in die Richtung.
Kenji tritt auf mich zu. Hebt die Hand zum Gruß, lächelt, doch das Lächeln erreicht seine Augen nicht. »Tut mir leid«, sagt er, »aber wir mussten ihn fernhalten.«
»Warum?«, frage ich. Fürchte mich vor der Antwort.
Kenji streicht sich die Haare aus den Augen. Überlegt. »Tja. Wo soll ich anfangen?« Er zählt an den Fingern ab. »Als er erfuhr, was passiert war, hat er zuerst versucht mich umzubringen, hat dann Castle attackiert, hat sich geweigert, die Krankenstation zu verlassen – nicht mal um zu essen oder zu schlafen –, und dann –«
»Bitte«, falle ich ihm ins Wort und schließe die Augen. »Lass es. Ich kann nicht.«
»Du hast gefragt.«
»Wo ist er?« Ich öffne die Augen wieder. »Geht es ihm so weit gut?«
Kenji reibt sich den Nacken. Schaut beiseite. »Er wird schon wieder.«
»Kann ich ihn sehen?«
Kenji seufzt. Fragt die Zwillinge: »Hey, können wir beide kurz unter vier Augen reden?«
»Na klar«, sagt Randa.
»Kein Problem«, sagt Tana.
»Wir lassen euch eine Weile alleine«, bekräftigen sie beide zugleich.
Und gehen raus.
Kenji nimmt sich einen der Stühle, die an der Wand stehen, und trägt ihn zu meinem Bett. Setzt sich. Legt den Knöchel des einen Beins aufs Knie des anderen und lehnt sich zurück. Verschränkt die Hände hinter dem Kopf und schaut mich an.
Ich lege mich so hin, dass ich ihn gut sehen kann. »Was ist?«
»Ihr müsst mal miteinander reden, du und Kent.«
»Oh.« Ich schlucke. »Ja. Ich weiß.«
»Ach ja?«
»Natürlich.«
»Gut.« Er nickt. Wendet den Blick ab. Tappt nervös mit dem Fuß auf den Boden.
»Was denn noch?«, frage ich. »Verschweigst du mir etwas?«
Kenji hört mit dem nervösen Tappen auf, sieht mich aber nicht an. Legt die linke Hand an den Mund. Lässt sie wieder sinken. »Das war ein irrer Scheiß, den du da abgezogen hast.«
Ich schäme mich sofort. »Es tut mir leid, Kenji. Es tut mir so leid – ich wusste nicht – ich hätte nicht gedacht –«
Er wendet sich mir zu, und sein Blick geht mir durch Mark und Bein. Er betrachtet mich forschend. Versucht mich zu ergründen. Überlegt offenbar, ob er mir vertrauen kann. Ob die Gerüchte über das Monster in mir wahr sind.
»Ich habe so was noch nie zuvor getan«, höre ich mich flüstern. »Ich schwöre dir – ich wollte das nicht –«
»Bist du ganz sicher?«
»Was?«
»Das ist eine Frage, Juliette. Eine berechtigte Frage.« Ich habe Kenji noch nie so ernsthaft erlebt. »Ich habe dich nach Omega Point gebracht, weil es Castles Wunsch war. Weil er glaubte, dass wir dir helfen, dir einen sicheren Ort anbieten könnten. Um dich wegzubringen von den Arschlöchern, die dich für ihre Zwecke missbrauchen wollten. Aber seit du hier bist, hältst du dich aus allem raus. Du redest nicht mit den Leuten. Du kommst mit deinem Training nicht voran. Eigentlich tust du gar nichts.«
»Es tut mir leid, ich will –«
»Und Castle berichtet mir, dass er sich Sorgen macht wegen dir. Er meint, du kämst nicht zurecht, hättest es schwer, dich hier einzufügen. Die Leute haben wohl negative Sachen über dich gehört und sind nicht so offen dir gegenüber, wie sie es sein sollten. Ich sollte mich selbst in den Arsch treten dafür, aber du tust mir leid. Also sag ich Castle, ich sei bereit, dir zur Seite zu stehen. Stelle meine ganzen verdammten Terminpläne um, um dir mit deinen Problemen zu helfen. Weil ich dich für ein nettes Mädchen
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