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Rette mich vor dir

Rette mich vor dir

Titel: Rette mich vor dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tahereh H. Mafi
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mich so forschend an, als wolle er einschätzen, ob seine Worte mich in Rage bringen, ob ich ihn anschreien werde, weil er ehrlich mit mir war. Ich weiß nicht, was er in meinem Gesicht erkennt, aber es scheint ihn zu beruhigen. Er steckt die Hände in die Hosentaschen. Zeichnet mit der Schuhspitze Kreise auf den Boden. Murmelt: »Du hast mir nicht gesagt, dass du schon mal jemanden umgebracht hast.«
    Ich atme stockend ein und frage mich, ob es auf so eine Bemerkung überhaupt eine Antwort gibt. Und ich frage mich, ob irgendjemand außer James so etwas noch einmal zu mir sagen wird. Wahrscheinlich nicht. Deshalb nicke ich einfach. Und sage: »Es tut mir wirklich leid. Ich hätte es dir sagen sol–«
    »Warum hast du es dann nicht gemacht?«, schreit er plötzlich los. »Warum hast du es mir nicht gesagt? Warum wussten es alle, nur ich nicht?«
    Einen Moment lang bin ich erschüttert über die Verletztheit in seiner Stimme, den Zorn in seinen Augen. Ich wusste nicht, dass James mich als Freundin betrachtet hat, und merke erst jetzt, dass das ein Fehler war. James hat nicht viele Menschen kennengelernt in seinem Leben – seine Welt bestand fast nur aus Adam. Und bevor wir nach Omega Point kamen, lernte er Kenji und mich kennen. Für ein Waisenkind, das so gelebt hat wie er, muss es viel bedeuten, Freunde zu finden. Doch ich war so mit mir selbst beschäftigt, dass ich gar nicht auf die Idee kam, James könne auch mit mir befreundet sein wollen. Mir war nie bewusst, dass mein Schweigen ihm wie Verrat erscheinen könnte. Dass der Klatsch, den er von den anderen Kindern hörte, ihn genauso verletzt haben muss wie mich.
    Deshalb hocke ich mich einfach dort in dem Gang auf den Boden und bedeute James, dass er sich neben mich setzen soll. Und ich bin aufrichtig mit ihm. »Ich will nicht, dass du mich hasst.«
    Er starrt auf den Boden. Sagt: »Das tu ich auch nicht.«
    »Nein?«
    Er zupft an seinen Schnürsenkeln. Seufzt. Schüttelt den Kopf. »Und ich fand es total blöd, was die über dich geredet haben«, sagt er, jetzt ruhiger. »Die anderen Kinder. Die haben gesagt, du seist fies und gemein. Ich hab gesagt, das stimmt nicht. Ich hab ihnen gesagt, du seist cool und nett. Und hast hübsche Haare. Dann haben die behauptet, ich würde lügen.«
    Das trifft mich ins Herz. Ich schlucke schwer. »Findest du meine Haare wirklich hübsch?«
    »Warum hast du ihn getötet?«, fragt James und schaut mich mit großen fragenden Augen an. »Wollte er dir was tun? Hast du Angst gehabt?«
    Ich muss mich kurz fassen, bevor ich antworte.
    »Erinnerst du dich noch an das«, sage ich schließlich zögernd, »was Adam dir über mich erzählt hat? Dass ich niemanden berühren kann, ohne ihm Schmerzen zu verursachen?«
    James nickt.
    »So ist das passiert. Ich habe ihn angefasst, und er starb.«
    »Aber warum?«, fragt James. »Ich meine, warum hast du ihn angefasst? Wolltest du, dass er stirbt?«
    Mein Gesicht fühlt sich an wie gesprungenes Porzellan. »Nein.« Ich schüttle den Kopf. »Ich war noch sehr jung – nur wenige Jahre älter als du übrigens. Ich wusste nicht, was ich tat. Ich wusste nicht, dass ich Menschen töten kann, indem ich sie berühre. Der kleine Junge war im Supermarkt hingefallen, und ich wollte ihm beim Aufstehen helfen.« Ich verstumme. Dann sage ich: »Es war ein Unfall.«
    James versinkt eine Weile in Schweigen.
    Schaut auf mich, dann auf seine Schuhe, seine Knie, die er an die Brust gezogen hat. Starrt zu Boden. Flüstert schließlich: »Es tut mir leid, dass ich so böse auf dich war.«
    »Es tut mir leid, dass ich dir nicht die Wahrheit gesagt habe«, flüstere ich im Gegenzug.
    Er nickt. Kratzt sich an der Nase. Schaut mich wieder an. »Können wir jetzt wieder Freunde sein?«
    »Du möchtest mit mir befreundet sein?« Ich blinzle heftig, weil meine Augen zu brennen anfangen. »Hast du denn keine Angst vor mir?«
    »Wirst du gemein zu mir sein?«
    »Niemals.«
    »Und wieso sollte ich dann Angst vor dir haben?«
    Ich lache – hauptsächlich, um die Tränen zu vertreiben. Nicke mehrmals. »Ja«, sage ich. »Lass uns wieder Freunde sein.«
    »Fein«, sagt James und springt auf. »Ich hab nämlich keine Lust mehr, mit den anderen Kindern zu essen.«
    Ich stehe auch auf. Streiche über meinen Anzug. »Iss doch mit uns«, sage ich. »Du kannst jederzeit bei uns am Tisch sitzen.«
    »Gut.« James nickt. Schaut beiseite. Zupft sich am Ohr. »Weißt du, dass Adam jetzt immer so traurig ist?« Die blauen Augen blicken

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