Rette mich vor dir
hineingeraten.« Er hält inne. »Warners Vater«, fährt er dann fort, »hat im Austausch für die Geiseln gezielt nach Ihnen verlangt. Er schreibt, wenn Sie nicht zum verabredeten Zeitpunkt eintreffen, wird er unsere Leute umbringen. Und ich habe keinerlei Grund, seine Drohung anzuzweifeln. Unschuldige Menschen zu ermorden ist für den Obersten eine Selbstverständlichkeit.«
»Und Sie wollten Juliette einfach so in die Falle gehen lassen?« Adam springt so abrupt auf, dass die Mülltonne umfällt. »Und Sie hätten uns nicht einmal gesagt, dass die es eigentlich auf Juliette abgesehen haben? Haben Sie den Verstand verloren?«
Castle reibt sich die Stirn. Zwingt sich, ruhig einzuatmen. »Nein«, erwidert er betont langsam. »Ich wollte sie nicht einfach so in die Falle gehen lassen. Ich sage doch, dass wir alle zusammen kämpfen werden. Aber Sie beide begleiten Ms Ferrars. Sie haben schon zu dritt zusammengearbeitet, und sowohl Kenji als auch Sie haben eine militärische Ausbildung. Sie kennen sich mit Taktik aus. Sie können für Ms Ferrars’ Sicherheit sorgen und zugleich als Überraschungselement dienen – Ihre Anwesenheit könnte uns den notwendigen Vorteil verschaffen. Wenn er versessen genug auf sie ist, muss er es schaffen, mit Ihnen dreien auf einmal fertigzuwerden –«
» Oder – keine Ahnung«, äußert Kenji lässig, »vielleicht knallt er uns beide auch einfach ab und schleppt Juliette weg, während wir zu tot sind, um ihn daran zu hindern.«
»Ist schon in Ordnung«, sage ich. »Ich mache es. Ich gehe hin.«
»Was?« Adam schaut mich mit panisch aufgerissenen Augen an. »Juliette – nein –«
»Ja, überleg dir das lieber noch mal«, wirft Kenji beunruhigt ein.
»Ihr müsst ja nicht mitkommen, wenn ihr nicht wollt«, erwidere ich. »Aber ich gehe.«
Castle lächelt, sichtlich erleichtert.
»Dafür sind wir doch schließlich hier, oder?« Ich schaue die anderen an. »Um zu kämpfen. Das ist unsere Chance.«
Castle strahlt, und ich sehe etwas in seinen Augen, das Stolz sein könnte. »Wir werden die ganze Zeit in Ihrer Nähe sein, Ms Ferrars. Darauf können Sie sich verlassen.«
Ich nicke.
Und mir wird plötzlich bewusst, dass ich vielleicht genau das tun soll. Dass ich vielleicht deshalb hier bin.
Um zu sterben.
29
Der Vormittag vergeht wie im Flug.
Es gibt so viel zu tun, so viel muss vorbereitet werden, all die Menschen, die sich bereit machen zum Kampf. Doch ich weiß, dass es im Grunde mein Kampf ist; es gibt Ungeklärtes, das endgültig geregelt werden muss. Ich weiß, dass dieses Treffen nichts mit dem Obersten zu tun hat. Er hat keinen Grund, mich so wichtig zu finden. Ich habe den Mann noch nicht mal kennengelernt; eigentlich sollte ich ihm einerlei sein.
Warner steckt dahinter.
Es muss Warner sein, der nach mir verlangt. Das Ganze hat nur mit mir und ihm zu tun; er gibt mir damit ein Zeichen, dass er mich immer noch will, dass er noch nicht aufgegeben hat. Und ich muss mich ihm stellen.
Ich frage mich bloß, wie er seinen Vater davon überzeugt hat, all diese Fäden für ihn zu ziehen.
Ich werde es wohl bald erfahren.
Jemand ruft meinen Namen.
Ich bleibe stehen.
Drehe mich um.
James .
Er kommt vor dem Speisesaal auf mich zugerannt. Die Haare so blond; die Augen so blau wie die seines großen Bruders. Er hat mir gefehlt. Und das hat nichts damit zu tun, dass er mich so sehr an Adam erinnert.
James ist ein ganz besonderes Kind. Sehr klug. Die Art von klugem Zehnjährigen, die immer unterschätzt wird. Und er fragt mich, ob er mit mir reden kann. Deutet auf einen der vielen Gänge.
Ich nicke. Folge ihm in einen menschenleeren Korridor.
Er bleibt stehen, wendet sich erst einmal ab. Blickt unbehaglich zu Boden. Ich bin erstaunt, dass er überhaupt mit mir sprechen will; ich habe seit 3 Wochen kein Wort mit ihm gewechselt. Schon kurz nach unserer Ankunft blieb er bei den anderen Kindern, und dann schlug irgendwie die Stimmung um. Er lächelte nicht mehr, wenn er mich sah, winkte mir im Speisesaal auch nicht mehr zu. Ich hatte angenommen, dass er von den anderen Kindern Gerüchte über mich gehört und beschlossen hatte, dass es besser für ihn wäre, sich von mir fernzuhalten. Und jetzt, nach allem, was mit Adam vorgefallen ist, erschüttert es mich, dass James mir etwas sagen will.
Er hat immer noch den Kopf gesenkt, als er flüstert: »Ich war ganz doll böse auf dich.«
Und die Nähte in meinem Herzen platzen auf. Eine nach der anderen.
James schaut auf. Sieht
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