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Rette mich vor dir

Rette mich vor dir

Titel: Rette mich vor dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tahereh H. Mafi
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die Waffe auf seinen Vater.
    Ich keuche verblüfft auf.
    Anderson sieht gelangweilt, gereizt, genervt aus. Streicht sich ungeduldig übers Gesicht, bevor er eine andere Pistole – meine zweite Pistole – aus der Tasche zieht. Eine absurde Situation.
    Vater und Sohn, die sich gegenseitig erschießen wollen.
    »Ziel auf die richtige Person, Aaron. Das ist albern.«
    Aaron .
    Inmitten dieses Irrsinns muss ich beinahe lachen.
    Warner heißt mit Vornamen Aaron .
    »Ich habe kein Interesse daran, sie zu töten«, entgegnet Warner Aaron er.
    »Na schön.« Anderson zielt wieder auf mich. »Dann erledige ich das selbst.«
    »Wenn du das tust«, sagt Warner, »jage ich dir eine Kugel in den Kopf.«
    Ein Todesdreieck. Warner droht seinen Vater zu töten, sein Vater will mich töten. Ich bin die Einzige ohne Waffe, und ich weiß nicht, was ich tun soll.
    Wenn ich mich bewege, sterbe ich. Wenn ich mich nicht bewege, sterbe ich auch.
    Anderson lächelt.
    »Wie reizend«, sagt er mit lässigem Grinsen, trügerisch entspannt. »Was soll das? Gibt sie dir das Gefühl, mutig zu sein, Junge?« Er hält inne. »Oder kraftvoll und stark?«
    Warner antwortet nicht.
    »Ruft sie in dir den Wunsch hervor, ein besserer Mensch zu sein?« Anderson gluckst. »Oder setzt sie dir Träume von einer gemeinsamen Zukunft in den Kopf?« Jetzt lacht er laut.
    »Du hast den Verstand verloren«, fährt er fort, »wegen einem dummen Kind , das zu feige ist, sich zu verteidigen. Das«, sagt er und kommt mit der Pistole näher, »ist das dumme kleine Mädchen, in das du dich verliebt hast.« Er stößt abrupt die Luft aus. »Ich weiß nicht, weshalb mich das erstaunt.«
    Warner atmet ein wenig tiefer. Hält die Pistole etwas fester. Die einzigen Anzeichen, die eine Reaktion auf die Worte seines Vaters verraten.
    »Wie oft«, fragt Anderson, »hast du mir schon gedroht, mich umzubringen? Wie oft bin ich nachts aufgewacht, weil du – sogar schon als kleiner Junge – versucht hast, mich zu erschießen?« Er runzelt die Stirn. »Zehnmal? Oder waren es fünfzehn Mal? Ich muss zugeben, dass ich den Überblick verloren habe.« Er starrt Warner an. Lächelt wieder. »Und wie oft«, sagt er jetzt lauter, »bist du damit durchgekommen? Und wie oft bist du in Tränen ausgebrochen, hast dich entschuldigt und mich umklammert wie ein schwachsinniges –«
    »Halt den Mund«, sagt Warner gefährlich leise.
    »Du bist schwach«, faucht Anderson angewidert. »Erbärmlich gefühlsduselig. Willst deinen Vater nicht umbringen? Hast du zu viel Angst, es würde dir das jämmerliche Herz brechen?«
    Warner beißt die Zähne zusammen.
    »Schieß doch«, höhnt Anderson mit amüsiertem Funkeln in den Augen. »Ich sagte Schieß doch !«, brüllt er dann und packt Warners verletzten Arm, drückt auf die Wunde, verdreht den Arm, bis Warner vor Schmerz um Luft ringt, heftig blinzelt, verzweifelt versucht, einen Aufschrei zu unterdrücken. Die Hand, mit der er die Pistole umfasst, beginnt leicht zu zittern.
    Anderson lässt seinen Sohn los. Gibt ihm einen heftigen Stoß, der Warner aus dem Gleichgewicht bringt. Warner ist kreidebleich, und Blut sickert in die Schlinge an seinem Arm.
    »So viel Gerede«, sagt Anderson kopfschüttelnd. »So viel Gerede und keine Taten. Du blamierst mich«, sagt er zu Warner und verzieht verächtlich das Gesicht. »Du machst mich krank .«
    Ein scharfes Klatschen.
    Anderson hat seinen Sohn mit dem Handrücken heftig ins Gesicht geschlagen, und Warner kommt wieder ins Schwanken, ohnehin schon geschwächt durch den Blutverlust. Doch er bleibt stumm.
    Er gibt keinen einzigen Laut von sich.
    Steht bloß da, erträgt die Schmerzen, blinzelt schnell, beißt die Zähne zusammen, starrt seinen Vater ausdruckslos an. Nur die rote Spur auf seiner Schläfe und einem Teil seiner Stirn lassen erahnen, dass er gerade geschlagen wurde. Doch die Schlinge an seinem Arm ist blutrot, und er sieht aus, als könne er jeden Moment umkippen.
    Dennoch sagt er kein Wort.
    »Willst du mich wieder bedrohen?« Anderson atmet jetzt schwer, während er spricht. »Denkst du immer noch, dass du deine kleine Freundin beschützen kannst? Und glaubst du vielleicht, ich lasse mir von deiner hirnrissigen Vernarrtheit mein Lebenswerk zerstören? Alles, was ich mir aufgebaut habe und wofür ich gearbeitet habe?« Anderson zielt nicht mehr auf mich. Er drückt den Lauf der Pistole an Warners Stirn, dreht ihn hin und her. »Habe ich dir gar nichts beibringen können?«, schreit er. »Hast du

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