Retter eines Planeten - 16
den verfeinerten Luxus von Fenstern. Ein kräftiger Rumpier weckte mich aus meinen Gedanken. Welchen Unsinn hatte ich da zusammengeträumt? Vage Ideen über die Menschheitsentwicklung blubberten wie Seifenblasen in meinem Gehirn. Die Waldmänner? Sie waren eben Waldmänner, und wie sollte man das erklären? Vielleicht wußte Jay Allison etwas darüber? Rafe drehte mir seinen Kopf zu. „Wo halten wir Nachtlager? Es wird dunkel, und wir müssen dieses ganze Zeug aussortieren.“ Ich riß mich zusammen und übernahm wieder die Führung der Expedition.
Aber als wir die Lastwagen sicher verstaut hatten und ein Zelt aufgebaut war, als die Packtiere abgeladen und mit der Koppelleine gesichert waren und als wir schließlich auch noch die Ausrüstungen hergerichtet hatten, lag ich noch lange wach, hörte Kendricks schnarchen, wagte aber nicht zu schlafen. Ich döste im Laster. Irgendwie sickerte das Bewußtsein aus mir heraus. Ich war ICH und doch nicht ich und brütete über Gedanken, die ich nicht als die meinen erkannte. Wenn ich schliefe, wer würde ich sein, sobald ich aufwachte?
Wir hatten unser Lager in der Schleife eines großen Flusses aufgeschlagen, der breit und seicht war und über den keine Brücke führte — Kadarin, der traditionelle Punkt ohne Wiederkehr für die Menschen auf Darkover. Jenseits des Flusses befand sich dichter Urwald, und jenseits des Urwaldes erhoben sich die Berge des Hellers höher und immer höher. Jede Bergfalte und jedes Tal war bis obenhin mit dichtem, dunklem Wald überzogen, und in diesem Wald lebten die Waldmänner.
Überall in diesen Wäldern gab es Nester und Kolonien. Es hatte jedoch keinen Zweck, mit ihnen zu verhandeln, denn wir mußten uns an den Ältesten des großen Nordnestes wenden, wo ich so viele Jahre meiner Kindheit verbracht hatte.
Seit undenklichen Zeiten hatten die Waldmänner die Grenzen zwischen ihrem Land und dem der auf dem Boden lebenden Menschen strikt eingehalten. Den Kadarin haben sie niemals überschritten. Kamen aber zufällig oder absichtlich Menschen in ihr Gebiet, dann wurden sie angegriffen und meistens ausgeplündert.
Ganz wenige Bergbewohner aus Darkover unterhielten Handelsbeziehungen mit ihnen. Sie lieferten Kleidung, geschmiedete Metalle und kleine Werkzeuge und nahmen Nüsse, Farbrinden, bestimmte Blätter und Moose für die Arzneimittelherstellung ab. Diese Händler hatten von den Waldmännern die Erlaubnis, in den Wäldern zu jagen, und wurden auch nie belästigt. Andere Menschen hingegen liefen immer Gefahr, erbarmungslos ausgeplündert zu werden. Blutrünstig waren die Baummenschen nicht, und sie töteten nicht, nur um zu töten. Sie griffen immer in Banden zu zwei oder drei Dutzend an, und wenn sie wieder verschwanden, dann waren ihre Opfer meistens nackt bis auf die Haut und hatten alles eingebüßt, was sich irgendwie bewegen ließ. Es war also gefährlich, durch ihr Land zu reisen.
*
Ich saß vor dem Zelt und sah auf die weite Wasserfläche mit den winzigen rosa Wellen hinaus, in denen sich der Schein der aufgehenden Sonne fing. Die Packtiere grasten hinter dem Zelt. Die Laster hatten Sphinxaugen, und auf ihren Planen glitzerte der Morgentau. Regis Hastur trat aus dem Zelt, rieb sich die Augen und kam zu mir ans Wasser. Am Abend vorher hatte er mich noch gebeten, in Zukunft auf die ihm gebührende Anrede zu verzichten, da sie nur störend wirke.
Jetzt fragte er: „Was meinst du? Wird es Schwierigkeiten geben?“ „Ich glaube nicht. Ich kenne die Hauptpfade und kann mich, von ihnen fernhalten. Es ist nur…“ Ich zögerte ein wenig.
„Was?“ fragte Regis.
„Nun ja. Um dich geht es. Wenn dir etwas zustößt, dann werden wir für ganz Darkover die Verantwortlichen sein.“
Er grinste. Im roten Sonnenlicht sah er aus wie ein Bild aus uralten Sagenbüchern. „Verantwortlich? Jason, ich halte dich nicht für einen, der sich allzu viele Gedanken macht. Und wofür hältst du mich eigentlich? Für einen Dummkopf? Ich weiß, was ich in den Bergen zu tun habe, und vor den Waldmännern fürchte ich mich nicht, wenn ich sie auch nicht so gut kenne wie du. Komm, soll ich das Frühstück holen, oder tust du’s?“
Ich zuckte die Achseln und machte mich am Feuer zu schaffen. Die anderen Terraner, Kendricks und Rafe, hatten nicht schlecht gestaunt, als Regis bei jeder Rast seinen Teil Arbeit redlich übernahm. Er machte kein Aufhebens davon, sondern tat sie selbstverständlich und fröhlich. Rafe und Kendricks hätten sich nur allzu gerne an die
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