Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
starken Aufwertung, die die Exporte behindert und Wachstum und Beschäftigung kostet. Dies umso mehr, als sich die Aufwertung auf die gesamte Breite aller Länder bezieht, in die das Land exportiert, also nicht nur auf den Teil der Lieferungen, der nach außerhalb der Union geht. Deutsche Unternehmen haben sich vielfach über die zu starke Aufwertung des Euro beklagt. Wenn die D-Mark wieder zurückkäme, wäre die Aufwertung nicht nur quantitativ größer, sie träfe ebenfalls den gesamten Export.
Die Aufwertung würde auch die Importpreise stark drücken, möglicherweise so sehr, dass am Ende das gesamte Preisniveau sinken würde. Es käme nicht zu Inflation, sondern zu Deflation, die bekanntlich noch schmerzhafter ist, weil sie leicht einen sich selbst verstärkenden Effekt auslösen und am Ende dazu führen kann, dass das Bruttoinlandsprodukt schrumpft.
Die Schulden des Staates, die in Euro nominiert sind, müssten theoretisch auch in Euro bedient werden. Das würde bedeuten, dass die Schuldenlast wegen der Aufwertung sinkt – in jedem Fall bei allen Papieren, die im Ausland gehalten werden. Wichtiger jedoch sind die Schulden gegenüber den eigenen Bürgern. Rein theoretisch könnte man auch diese Schulden in Euro belassen, so dass der Staat auch hier weniger zahlen muss. Das dürfte aber gegenüber den eigenen Bürgern kaum durchsetzbar sein, so dass sich die Schuldenlast nicht stark verringern würde.
Es ist kaum vorstellbar, dass ein Aufwertungsland wie Deutschland sich solch einer Tortur noch einmal unterziehen möchte. Es war das ganze Bestreben seit dem Zusammenbruch des Systems fester Wechselkurse 1971, die Wechselkursschwankungen innerhalb Europas in engeren Grenzen als in der Welt insgesamt zu halten. Dazu wurde 1979 das Europäische Währungssystem geschaffen. All das wäre umsonst gewesen. Man stünde auf den internationalen Devisenmärkten wieder allein auf weiter Flur.
3. Ein Nord-Euro und ein Süd-Euro?
Im Herbst 2010 brachte der frühere Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Industrie (BDI), Olaf Henkel, eine – so schien es vielen – geniale Idee ins Gespräch. Statt sich mit den Schuldnerländern an der Peripherie der Europäischen Union herumzuschlagen, sie von der richtigen Politik zu überzeugen und ihnen Geld zukommen zu lassen: Warum trennte man den Euro nicht in zwei Teile, einen Nord-Euro und einen Süd-Euro? Dem Nord-Euro würden unter der Führung Deutschlands Österreich, die Beneluxländer und Finnland angehören; in diesem Zusammenschluss würden die strengen Prinzipien der Geldwertstabilität und der Haushaltsdisziplin gelten. Der Süd-Euro würde von Frankreich angeführt, ihm gehörten, wie Henkel es abwertend ausdrückte, die »Olivenländer« Griechenland, Italien, Spanien und Portugal an. Hier dominierten nicht die stabilitätspolitischen Prinzipien, sondern »Ausgabenfreude und währungstechnisches Improvisationstalent«.
Der Vorschlag hat in der öffentlichen Diskussion in Deutschland vorübergehend viel Staub aufgewirbelt. Er wurde – auch weil er so aggressiv und alle Vorurteile gegen den Euro aufnehmend formuliert war – von vielen als überzeugend und ihnen aus der Seele gesprochen empfunden. Das schien die Lösung des Euro-Problems zu sein. Endlich kämen die Länder zusammen, die auch die gleichen Ziele verfolgten. Die Nord-Länder könnten die Stabilität verwirklichen, die sie für richtig halten, müssten nicht mehr Rücksicht auf die anderen nehmen und sich für ihre eigene Stabilitätskultur entschuldigen. Die Südländer müssten sich nicht einer Disziplin unterordnen, die ihrem Naturell nicht entsprach. Jeder könnte nach seiner Façon glücklich werden.
In der Tat, die Idee hat Charme. Als die Europäische Währungsunion in den 1990er Jahren geschaffen wurde, hatte man genau das im Sinn: Man wollte eine Union mit einer gemeinsamen Stabilitätskultur schaffen. Alle sollten sich auf das Ziel der Geldwertstabilität verpflichten, und die, die eine andere Vorstellung von Stabilitätskultur hatten, sollten draußen bleiben. Die Trennungslinie wurde durch die Maastricht-Kriterien definiert.
Der »Club Med«
Es waren nicht wenige, die damals insgeheim den Wunsch hegten, dass die südeuropäischen Länder mit ihrer weniger ausgeprägten Stabilitätskultur nicht dazugehören. Man sprach damals nicht von den »Olivenländern«, sondern vom »Club Med«, was aber nicht weniger unfreundlich gemeint war. Die Akzeptanz des Euro wäre in der
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