Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
den Konflikt aber auch nicht übertreiben. Im Zweifel findet man immer Möglichkeiten, wenn jemand aus der Gemeinschaft austreten will. Daran wird die Sache jedenfalls nicht scheitern.
Dann stellt sich ein technisches Problem. Das Land braucht eine neue Währung. Es kann die alten Euro-Scheine nicht mehr verwenden. Keiner würde zum Beispiel den »Griechen-Euro« akzeptieren, wenn er davon ausgehen muss, dass die griechische Währung abgewertet wird. Die Griechen selber würden so schnell wie möglich versuchen, ihre alten Bargeldbestände im Ausland loszuwerden, um neue zu bekommen.
Erkennen kann man den »Griechen-Euro« an dem Buchstaben »Y« vor der angegebenen Nummer. Portugiesische Scheine haben ein »M« vor der Nummer, spanische ein »V«, italienische ein »S«, irische ein »T« und deutsche ein »X«. Bei den Münzen müsste man auf die Rückseite schauen, die jeweils mit nationalen Emblemen versehen ist. Wer Bargeld des ausscheidenden Landes hat, tut gut daran, dies gleich bei seiner Bank einzutauschen.
In jedem Fall gäbe es ein Riesentohuwabohu beim Bargeld. Dies umso mehr, als das ja alles sehr schnell gehen muss. Man kann nicht ankündigen, dass man in einem halben Jahr den Wechselkurs für eine Währung freigeben wird, mit dem Ziel, die Währung abzuwerten. In einem solchen Fall wäre es gut, wenn die Regierung schon vorgesorgt hätte und neue Drachmen-Noten bereits in ihren Tresoren hätte. Sie brauchte die dann nur an die Bürger im Austausch gegen griechische Euro zu verteilen. Denkbar wäre, dass man auf die alten Euro-Scheine mit Stempel eine Kennung aufdruckt, dass dies nicht mehr die normalen Euros sind, sondern »Griechen-Euros«. So etwas hat man in großen Inflationen getan, um die alten Werte der Scheine an die neuen anzupassen.
Die Umstellung auf eine neue Währung kostet auch richtig Geld. Geldausgabeautomaten müssen ausgetauscht werden. Kredit-, Geld- und EC-Karten müssen neu gedruckt werden. Unternehmen müssen ihre Systeme auf das neue Geld umstellen. Besonders kompliziert ist es, wenn die Firmen davon ausgehen müssen, dass die Umstellung nur vorübergehend ist und in vielleicht zwei, drei Jahren wieder aufgehoben werden wird.
Im Übrigen müssen sich die Unternehmen bei ihren Geschäften auf dem europäischen Markt auch auf Wechselkursrisiken einstellen. Sie müssen daher Kurssicherungen kaufen, mit denen sie sich gegen die neuen Risiken schützen können.
Die ökonomischen Effekte
Dann kommen die ökonomischen Effekte eines Austritts aus der Währungsunion, nämlich dass sich die Währung abwertet. Das ist gewünscht. Man muss sich jedoch darüber im Klaren sein, dass es sich hier nicht nur um 2 bis 3 Prozent Abwertung handelt, sondern vermutlich um 20 oder 30 Prozent oder mehr. Wenn die Regierung des austretenden Landes eine einmalige Abwertung zu einem neuen festen Wechselkurs beabsichtigt, muss sie schon eine ungefähre Vorstellung von der vorherigen Überbewertung haben. Sie muss die Märkte davon überzeugen, damit sie nachher nicht zu viel intervenieren muss, um die Devisenmärkte zum »richtigen« Kurs zu bringen. Wenn am Ende der Abwertung ein flexibles Austauschverhältnis zum Euro stehen soll, muss sie vermutlich ebenfalls intervenieren. Denn der Markt übertreibt erfahrungsgemäß. Es ist für Unternehmen und Bürger schwer einzuschätzen, wie sie sich in dieser Situation verhalten sollen.
Für all das braucht das Land nicht nur Expertise in seinem Finanzministerium, sondern auch in seiner Notenbank. Vor allem in der Zentralbank ist diese jedoch in den Jahren der Zugehörigkeit zum Euro verloren gegangen. Die Notenbank ist zwar noch da. Die Spezialisten für die Geldpolitik und die Devisenmärkte sind allerdings vielfach in die EZB oder in andere Institutionen abgewandert, weil sie zu Hause nicht mehr gebraucht wurden. Bis die Expertise aufgebaut ist, dauert es seine Zeit und man muss viel experimentieren. Es passieren dabei natürlich auch Fehler.
Unmittelbare Folge der Abwertung ist es, dass die Einfuhrpreise steigen. Insbesondere Benzin (»der neue Brotpreis«) wird teurer. Auch hier wird es in den ersten Wochen Übertreibungen geben. In jedem Fall geht die Inflationsrate nicht nur um ein paar Zehntel nach oben. Sie macht einen Sprung. Sie kann durchaus von 2 bis 3 Prozent auf 10 bis 20 Prozent, vielleicht auch stärker ansteigen, mit weiterer Tendenz nach oben. Das mindert entsprechend die Kaufkraft der Bevölkerung – es kommt zum
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