Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
»Teuro«-Effekt.
Der nächste Schritt: Löhne und Gehälter erhöhen sich. Die Gewerkschaften werden es sich sicher nicht bieten lassen, dass nur die Preise und nicht auch die Einkommen steigen. Sind deren Forderungen nach einiger Zeit durchgesetzt, kommt eine Lohn-Preis-Spirale in Gang: Die höheren Löhne treiben die Preise, und die wirken erneut auf die Löhne. Damit geht ein Großteil des positiven Effekts der Abwertung verloren. Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen verbessert sich nicht, jedenfalls nicht so wie gewünscht, und somit werden auch die außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte nicht wirklich stark korrigiert, was ja ein wesentliches Ziel der ganzen Operation war. Die Exportwirtschaft hat zwar zunächst eine bessere Ausgangsposition, weil sie einen Wechselkursvorteil hat. Der aber geht sukzessive durch die Lohn-Preis-Spirale verloren. Wenn die Regierung nicht höllisch aufpasst, steht sie am Ende nicht viel besser da als mit dem Euro.
Damit ist die Geschichte aber noch nicht zu Ende. Als Folge der steigenden Preise und vor allem auch der Preiserwartungen erhöhen sich die Zinsen in dem Land, das aus dem Euro ausscheidet. Zum einen muss die Notenbank die Zinsen anheben, um die inflationären Effekte in Schach zu halten. Zum anderen geht es aber auch am Kapitalmarkt nach oben. Weder Inländer noch Ausländer wollen ihr Geld in Staatspapieren des Landes anlegen. Sie warten lieber, bis sie durch attraktivere Renditen für den Nachteil der gestiegenen Währungsrisiken kompensiert werden. Der große Vorteil des Euro-Raums gerade für südeuropäische Länder – nämlich die niedrigen Zinsen – ist weg. Die Sätze werden wiederum nicht nur um ein bis zwei Prozentpunkte steigen. Griechenland hat vor dem Beitritt zum Euro Langfristzinsen von 15 bis 20 Prozent gehabt. Dahin könnten sie wieder zurückkehren.
Für den Finanzminister wird es schwieriger, die öffentlichen Defizite zu finanzieren. Er muss nicht nur attraktivere Renditen bieten, und zwar Sätze, die er zu Zeiten des Euro nie in Erwägung gezogen hätte. Er muss auch damit rechnen, dass es einige Zeit dauern wird, bis der Markt Vertrauen in die neuen Verhältnisse gefasst hat und bereit ist, zu den neuen Wechselkursen und Zinsen Geld zu leihen. Dabei muss das Land, wenn es im »Unfrieden« aus dem Euro-Raum ausgetreten ist, davon ausgehen, dass es auch von der EU keine Übergangsfinanzierungen bekommt. Ob in diesem Fall andere Institutionen wie etwa der Internationale Währungsfonds einspringen, ist offen.
Und wie reagiert das Wachstum?
Wenn sich die Währung abwertet, erhöhen sich natürlich die Staatsschulden. Sie sind ja in Euro aufgenommen worden und müssen auch in Euro verzinst und getilgt werden. Wenn man sich heute bei Griechenland über eine Relation zwischen Staatsschulden und Bruttoinlandsprodukt in Höhe von 150 Prozent aufregt, dann wird man nach dem Austritt Athens aus dem Euro mit einer wahrscheinlichen Relation von 200 Prozent und mehr noch weniger zur Ruhe kommen. Wenn das Land aus dem Euro ausgetreten ist, weil es die strikten Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts in Bezug auf öffentliche Defizite und Gesamtverschuldung des Staates nicht einhalten wollte oder konnte, dann kommt es vom Regen in die Traufe. Am Schluss sieht alles viel schlimmer aus, als es vorher war.
All das wirkt sich schließlich auch auf Wachstum und Beschäftigung aus. Rein theoretisch könnte die Abwertung einer Währung den Export fördern und den Import bremsen mit der Folge, dass sich der Außenbeitrag erhöht und das Wirtschaftswachstum damit steigt. Das setzt aber voraus, dass es keine Lohn-Preis-Spirale gibt und dass sich auch die Zinserhöhung nicht zu negativ auf das Wachstum auswirkt. Die hohen Zinsen könnten insbesondere die Bauinvestitionen erschweren und damit den Immobilienmarkt belasten.
Die historische Erfahrung lehrt, dass Abwertungen das Wachstum nur dann fördern, wenn die Regierung die Wechselkursänderung mit einer sehr restriktiven, für die Bevölkerung schmerzhaften Politik begleitet. Wenn nun aber – was wahrscheinlich ist – der Austritt aus dem Euro-Raum damit begründet wurde, dass es den Wählern nicht zuzumuten ist, sich an die strikten Vorgaben der Währungsunion zu halten, gerät die Politik bei neuerlichen rigorosen Restriktionen in schwere Argumentationsnöte.
Zudem ist schwer vorstellbar, dass die Partner des austretenden Landes dessen Versuch, sich durch seinen Schritt Wettbewerbsvorteile
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