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Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)

Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)

Titel: Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Hüfner
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verdrängt.
    Und so trat wenige Wochen später der griechische Regierungschef auf seine Kollegen aus den anderen Euro-Ländern zu und eröffnete ihnen, dass er auf den Beschluss vom 11. Februar zurückkommen müsse und nun doch Geld benötigte. Damit war der Sündenfall komplett. Die Mitglieder des Euro-Raums standen für die Verbindlichkeiten Griechenlands ein. Sie schnürten zusammen mit dem Internationalen Währungsfonds ein Paket von insgesamt 110 Milliarden Euro, das den Griechen zur Verfügung gestellt werden sollte. Es war an rigorose Auflagen an die Athener Wirtschafts- und Währungspolitik gebunden. Sie sollten regelmäßig von der EU, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds geprüft werden.
    Aber es kam noch schlimmer. Der Karren war so an die Wand gefahren, dass die Ansteckungsgefahren für andere Länder an der Peripherie Europas von Tag zu Tag größer wurden. Die Zinsen für deren Staatsanleihen stiegen immer weiter, zwar nicht so hoch wie bei den Griechen (die nachher zweistellige Sätze berappen mussten), immerhin aber mussten die Iren zeitweise auch über 10 Prozent Zins zahlen, ebenso die Portugiesen. Die Preise für die Kreditausfallversicherungen für diese Länder gingen ebenfalls nach oben. Es kam wieder das unschöne Wort von den »PIGS« auf, jetzt erweitert zu PIIGS – Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien. Diese Bezeichnung geht eigentlich unter die Gürtellinie. Das Wort pig bedeutet im Englischen Schwein. Es ist ähnlich unfair wie die des »Club Med«.
    Eskaliert ist die Situation an jenem denkwürdigen Wochenende vom 7. bis 9. Mai 2010. Es ging darum, ein neues Hilfspaket zu schnüren, diesmal nicht für Griechenland, sondern für die Länder, die von der Griechenland-Krise infiziert werden könnten. Betragsmäßig ging es um viel mehr Geld als vorher, nämlich um 750 Milliarden Euro. Wieder war der Internationale Währungsfonds (hinter dem wohlgemerkt die gesamte Weltgemeinschaft steht) mit von der Partie. Er leistete 250 Milliarden Euro, die EU-Kommission steuerte 60 Milliarden Euro bei. Der Rest wurde von den Mitgliedern des Euro-Raums aufgebracht. Auch diesmal sollten die Gelder nur unter strengen Auflagen an die Empfängerländer vergeben werden.
    Zur Verwaltung und Steuerung der Gelder wurde eine neue Institution gegründet, die European Financial Stability Facility (EFSF, Europäische Finanzmarktstabilisierungs-Fazilität) mit Sitz in Luxemburg. An ihre Spitze wurde Klaus Regling berufen, der in den 1990er Jahren im deutschen Finanzministerium unter Theo Waigel an der Ausarbeitung und Durchsetzung des Stabilitätspaktes maßgeblich beteiligt war. Regling baute in Windeseile eine neue Institution auf, die die Fazilität verwalten sollte. Sie war klein (gerade mal zwölf Leute am Anfang) und arbeitete sehr effizient. Sie logierte ganz unscheinbar im zweiten Stock eines Bürohauses der Avenue John F. Kennedy in Luxemburg. Von dort aus pflegte sie Kontakte in die ganze Welt und überzeugte die Investoren von der Qualität des Euro.
    So verliert man Reputation
     
    Als ob das alles nicht genug war: Am Tag nach diesen Beschlüssen griff auch die Europäische Zentralbank in das Geschehen mit eigenen Maßnahmen ein. Ihr Präsident war bei den Beratungen der Minister anwesend gewesen. Noch am Sonntagabend berief er eine Sitzung des Governing Council, der die wichtigsten geldpolitischen Beschlüsse der EZB trifft, ein. Nach heftigen internen Diskussionen und gegen erhebliche Widerstände wurde beschlossen, dass die EZB in unbeschränktem Maße europäische Staatspapiere auf den Kapitalmärkten kaufen sollte.
    Am Tag darauf gab der deutsche Bundesbankpräsident, selbst Mitglied im Governing Council, öffentlich und sehr prononciert bekannt, dass er diese Entscheidung für einen gefährlichen Schritt hält – eine Haltung ganz der Tradition der Deutschen Bundesbank entsprechend und damit auch den ursprünglichen Zielsetzungen der EZB.
    Das ist die offizielle Version der Euro-Krise. Die, die in die Geschichte eingeht. Der gefallene Sohn (Griechenland, später Irland und Portugal) wird von seinen barmherzigen Brüdern (den anderen Mitgliedern der Gemeinschaft) gerettet und muss dafür Buße tun (wirtschafts- und währungspolitische Auflagen).
    Könnte es aber nicht ganz anders gewesen sein?

2. Die Verschwörungstheorie
     
    Bei Investmentbanken hört man bisweilen eine ganz andere Version zur Entstehung der Krise. Danach ist gar nicht Athen

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