Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
der böse Bube. Es hat zwar hohe Schulden und große öffentliche Defizite. Aber es schadet damit seinen Partnern nicht, sondern tut im Gegenteil Europa sogar etwas Gutes. Es hilft bei der Bewältigung der Krise und verschafft dadurch den Partnern so ganz nebenbei einen schönen Gewinn. Die Krise ist – pointiert formuliert – »inszeniert«, weil sie Staaten, Steuerzahlern und Anlegern nutzt.
Das klingt nicht nur abstrus, sondern ist es auch. Eine Verschwörungstheorie eben. Ich mag jedoch solche Theorien, nicht weil ich sie für richtig halte, wohl aber weil sie oft auf Aspekte hinweisen, die in der Diskussion vernachlässigt werden.
Wie kann es sein, dass Griechenland durch seine Schwierigkeiten den Partnern in der EU hilft? Durch drei Dinge: erstens dadurch, dass der Euro durch die Krise schwächer geworden ist. Er hat sich gegenüber dem US-Dollar seit dem Hoch von 1,60 Dollar je Euro zeitweilig bis auf 1,19 verringert. Das ist eine Abwertung um mehr als 25 Prozent. Misst man die Veränderung nicht nur gegenüber dem Dollar, sondern gegenüber dem Durchschnitt der wichtigsten Handelspartner, zum Beispiel der deutschen Wirtschaft, so ist die Abwertung nicht ganz so groß (weil viele Währungen dem Euro gefolgt sind), liegt aber immerhin noch bei 7,5 Prozent.
Eine Abwertung des Wechselkurses um 7,5 Prozent im Durchschnitt bedeutet, dass deutsche Exporteure entweder bei unveränderten Preisen auf den Auslandsmärkten entsprechend mehr Euros für die abgesetzten Waren und Dienste bekommen oder dass sie die Preise auf den Auslandsmärkten senken und mehr Güter verkaufen können. Vermutlich wird beides passieren. Sie werden ihre Gewinnmargen erhöhen und ihren Absatz steigern.
Nehmen wir einmal an, dass als Folge der 7,5-prozentigen Abwertung die deutschen Exporterlöse um 3 Prozent steigen, dann erhöht sich bei einer Exportquote von rund einem Drittel das Bruttoinlandsprodukt um knapp 1 Prozent. Das ist schon ganz ordentlich. Es könnte dazu führen, dass 400.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Dies setzt zwar voraus, dass die Abwertung von Dauer ist (tatsächlich hat sich der Euro nach der starken Abwertung wieder erholt). Aber die deutsche Bundeskanzlerin hätte nichtsdestotrotz guten Grund, dem griechischen Premier ein herzliches Dankeschön zu sagen.
Hinzu kommt zweitens, dass sich die Probleme Athens positiv auf das Zinsniveau in anderen Ländern ausgewirkt haben. Es floss nämlich sehr viel Geld in »sichere Häfen«, beispielsweise nach Deutschland. Die Mittel kamen zum einen aus Griechenland selbst, weil viele Anleger dort Angst hatten, dass ihr Land aus dem Euro ausgeschlossen werden könnte, vielleicht auch, dass die Finanzbehörden noch viel rigoroser zugreifen würden. In jedem Fall schafften sie erhebliche Summen Geldes außer Landes, um es nicht ganz zu verlieren. Und, zum anderen, wurden ebenso Anleger in anderen Ländern vorsichtig und legten, um auf der sicheren Seite zu sein, ihre Ersparnisse, wenn auch zu niedrigeren Zinsen, in deutschen Bundesanleihen an.
Außerdem wurde auch die Geldpolitik durch die Griechen beeinflusst. Wenn es nicht die Probleme mit Athen gegeben hätte, dann hätte die Europäische Zentralbank die Zinsen früher und vielleicht stärker angehoben.
Schließlich gab es drittens Investoren, die ihr Geld in Aktien angelegt hatten, denen es in der Krise gleichfalls zu »heiß« wurde und die deshalb ihre Papiere verkauften, um ihre Mittel ebenfalls in deutschen Bundesanleihen zu »parken«. In Griechenland und den anderen Peripherieländern brachen die Aktienkurse entsprechend ein.
Die Folge: Die Zinsen für Bundesanleihen – sie sind das Maß, an dem man die Sätze im Euro-Raum misst (Benchmark) – sind im Verlauf des ersten Halbjahres 2010 kräftig gesunken. Zu Jahresbeginn hatten sie noch bei 3,4 Prozent für 10-jährige Bundesanleihen gelegen. Bis zum Höhepunkt der Krise Ende April/Anfang Mai sanken sie auf 3 Prozent. Im Spätsommer waren sie dann auf 2,1 Prozent gefallen.
Das hatte erhebliche positive Wirkungen. Wenn die Renditen sinken, dann steigen die Kurse der festverzinslichen Papiere. Anleger in Bundesanleihen – dazu gehören nicht nur Privatpersonen, sondern auch Banken und Versicherungen – machten in den ersten acht Monaten des Jahres 2010 einen unerwarteten Gewinn von 5,5 Prozent. Wer zu Jahresbeginn 100.000 Euro für die Altersvorsorge zurückgelegt und in Rentenpapieren angelegt hatte, besaß mit einem Mal 5500 Euro mehr. Nicht
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