Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
viel anders war es in Frankreich, Österreich und den Beneluxländern, die ebenfalls zu den Gewinnern der Krise zählten. Selbst Länder, die nicht dem Euro angehören, wie die Schweiz, Großbritannien oder die USA, profitierten von der Zinssenkung.
Gleichzeitig hat sich die Kreditaufnahme des Staates verbilligt. Pro Jahr nimmt zum Beispiel der deutsche Staat über 300 Milliarden Euro Kredite auf. Die Zahl ist sehr viel höher als die Nettokreditaufnahme, weil der Finanzminister Geld zur Tilgung fällig werdender Schulden benötigt. Wenn das durchschnittliche Renditeniveau um einen Prozentpunkt sinkt, dann verringert sich die Zinslast dadurch um 3 Milliarden Euro, nach zwei Jahren sind es schon 6 Milliarden Euro. Das fällt schon ins Gewicht. Vor allem entlastet es den Steuerzahler.
Weitere Gewinne aus der Krise
Niedrigere Zinsen sind auch eine gute Nachricht für die Konjunktur. Es wird billiger, langfristige Hypotheken zur Finanzierung von Häusern oder Wohnungen aufzunehmen, und Unternehmen müssen weniger für Investitionskredite bezahlen. Das alles stärkt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und wirkt sich natürlich auch positiv auf den Arbeitsmarkt aus. Vor allem kompensiert es etwaige negative Einflüsse, die sich aus der geringeren Nachfrage der südeuropäischen Länder nach Exporten ihrer Partner ergeben.
Auch dafür könnte man den Griechen ein Dankeschön sagen.
Sogar der Europäischen Zentralbank entstehen durch ihre immerhin reputationsschädigende Entscheidung, Anleihen von Papieren der gefährdeten Staaten zu kaufen, rein finanziell gesehen Vorteile, da sie für die Wertpapiere in einer Summe von 75 Milliarden Euro (Herbst 2011) natürlich Zinsen erhält. Zwar kennt man die Zusammensetzung dieser Papiere nicht und weiß daher auch nicht, wie hoch genau die Erträge sind. Vorsichtig gerechnet aber könnte der Zinssatz der Papiere im Portefeuille der Zentralbank bei 5 Prozent liegen, was dann einem Ertrag von über 3 Milliarden Euro pro Jahr entspräche.
Natürlich muss man die Zinskosten der Zentralbank dagegenrechnen. Denn die Zentralbank schöpft hier nicht Geld aus dem Nichts. Sie hat sich vorgenommen und der Öffentlichkeit versprochen, dass sie die Liquiditätswirkung dieser Käufe von Staatspapieren abschöpft, »sterilisiert«, wie es im Zentralbank-Deutsch heißt. Das geht so: Die EZB bietet den Banken im Umfang der Käufe von Staatspapieren Anlagemöglichkeiten an, für die sie leicht über den Geldmarktsätzen liegende Zinsen erhalten. Das ist für die Zentralbank angesichts des niedrigen Zinsniveaus auf dem Geldmarkt kein schrecklich hoher Betrag, er muss aber gleichwohl in die Rechnung eingehen.
Insgesamt, so könnte man die kühne Rechnung aufmachen, bleibt also der EZB aus dem Kauf von Staatspapieren auf ein Jahr gerechnet ein Mehrertrag von, sagen wir, 2,5 bis 3 Milliarden Euro. Das ist Gewinn, der am Ende den Mitgliedstaaten zusteht. Die Finanzminister sind sicher dankbar, wenn sie dadurch ihre Einnahmen etwas aufbessern können. Der deutsche Finanzminister erhält rund 27 Prozent des Gewinns der Europäischen Zentralbank, in diesem Fall rein rechnerisch also über 600 Millionen Euro.
Dem Volkswirt sträuben sich bei solchen Berechnungen freilich die Haare. Denn die Europäische Zentralbank ist nicht dazu da, Gewinne zu erzielen. Wobei man natürlich darauf hinweisen muss, dass ihr Kauf von Staatspapieren alles andere als dadurch motiviert war, ihre Gewinn- und Verlustrechnung zu verbessern – zumal die Papiere nicht allererster Qualität sind und daher in der Bilanz zum Jahresende abgeschrieben werden müssen (was dann auch in erheblichem Maße geschah). Aber wir reden hier ja über das, was in den Handelsräumen gesprochen wird.
Man kann sogar noch eine weitere Rechnung aufmachen (und auch das gehört zu der Verschwörungstheorie). Nicht zuletzt verdienen selbst die Staaten, die das Hilfspaket für Griechenland schnürten, damit Geld. Sie stellen Athen insgesamt Mittel in Höhe von 110 Milliarden Euro zur Verfügung. Dafür bekommen sie – wenn die Mittel abgerufen werden – einen Zins von, sagen wir, 5 Prozent. Verschulden können sie sich am Markt aber zu einem Satz, der wesentlich niedriger ist (Deutschland könnte das zu unter 2 Prozent). Für die Finanzminister springt hier noch einmal ein hübsches Sümmchen heraus. Allein Deutschland könnte durch die Kreditgewährung noch einmal rund eine Milliarde Euro »verdienen«. Griechenland bekommt
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