Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
sich nach einer gewissen Zeit wieder normalisieren. Das ist ein Strukturbruch.
Verglichen damit sind die Euro-Länder Waisenknaben. Aber Sünde ist Sünde. Es hilft nichts, wenn man darauf hinweisen kann, dass es anderswo noch schlimmer ist. Mit dem starken Anstieg der Staatsschulden wurde einer der Grundpfeiler der Stabilität des Euro verletzt. Aus der Finanz- und Wirtschaftskrise wurde eine Euro-Krise. Man kann es noch drastischer formulieren: Der Euro ist ein Opfer der Maßnahmen, die die Regierungen zur Bekämpfung der Finanz- und Wirtschaftskrise ergriffen haben und ergreifen mussten. Der Euro geriet ins Stolpern, weil eine größere und längere Finanz- und Wirtschaftskrise verhindert werden sollte. Die Regierungen haben den Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben.
Derartig große öffentliche Defizite waren im System des Euro nicht vorgesehen. Natürlich wussten die Väter des Euro auch, dass die Regierungen in konjunkturellen Krisen die Ausgaben erhöhen und die Steuern senken müssen, um Schlimmeres zu verhüten. Es gibt die Unterscheidung zwischen konjunkturbedingten Fehlbeträgen (die vorübergehend sind und die man daher auch hinnehmen kann und soll) und strukturbedingten (die man nicht akzeptieren kann). Aber diese Unterscheidung ergibt nur Sinn, wenn es sich um vergleichsweise kleine Defizite handelt. Wenn die Haushalte explodieren wie in der Finanz- und Wirtschaftskrise, dann bilden sich die Verwerfungen nicht wieder so leicht zurück.
Was bleibt, sind in jedem Fall die Zinszahlungen für die in der Krise aufgenommenen Kredite. Um sie zu vermeiden, müssten die Staaten nach der Krise Überschüsse in ihren Haushalten erwirtschaften, die größer sind als die vorherigen Defizite. Sonst können sie die aufgelaufenen Schulden nicht zurückzahlen. Das ist der Idealfall, der aber bisher noch nicht vorgekommen ist. Daher die Gefahr, dass aus konjunkturbedingten Defiziten strukturbedingte werden. Das alte Modell, wonach der Staat in Rezessionen Kredite aufnimmt und sie in Boomzeiten wieder zurückzahlt, funktioniert nicht mehr.
Vermutlich hätte der Euro selbst diese Fehlentwicklung noch relativ gut ausgehalten, wenn anschließend die notwendigen Maßnahmen zur Konsolidierung der Haushalte ergriffen worden wären. Konkreter Auslöser der Euro-Krise war noch ein anderer Punkt.
Das griechische Problem
Hier ist nun zu sprechen von den spezifischen »Sünden« Griechenlands. Im Herbst 2008 war in Athen eine neue Regierung an die Macht gekommen. Der neue Ministerpräsident Giorgos Andrea Papandreou, ein Mann, der in den USA aufgewachsen und mit den Traditionen des good governance und der internationalen Finanzmärkte gut vertraut ist, gab als eine seiner ersten Amtshandlungen bekannt, dass das öffentliche Defizit seines Landes nicht 6 Prozent betrug (was schon hoch genug ist), sondern das Doppelte, nämlich 12 Prozent. Das war ein Schock. Nicht nur für die Europäische Union, sondern auch für die internationalen Kapitalmärkte und das Standing des Euro. Später musste er das Defizit noch einmal auf 15,4 Prozent heraufkorrigieren.
Schlimm genug, dass die Defizite so hoch waren (fünfmal so hoch wie die vertraglich festgesetzten 3 Prozent), schlimmer war, dass die Vorgängerregierung offenbar nicht die Wahrheit gesagt hatte. Wie konnte man also den neuen Zahlen trauen, zumal es nicht die erste »Trickserei« war, die in der griechischen Statistik auftauchte. Schon beim Eintritt Athens in den Euro soll es – so sagen Experten – Unsauberkeiten gegeben haben.
Sofort stiegen als Folge dieser neuen »echten« Zahlen die Zinsen für griechische Anleihen drastisch an. Lagen sie vorher lange Jahre um einen halben Prozentpunkt oder etwas mehr über denen für deutsche Bundesanleihen, stieg der Aufschlag mit einem Mal auf fünf bis acht Prozentpunkte und mehr an. Die Credit Default Swaps, das heißt die Versicherung für einen Ausfall der Zins- und Tilgungszahlungen durch die griechische Regierung, schossen nach oben und durch die Decke. Zeitweise mussten über 1000 Euro (später sogar über 2000 Euro) für die Versicherung einer Anleihe von 10.000 Euro bezahlt werden. Ein Jahr zuvor waren es noch 100 Euro, vor der Krise nur 20 Euro.
Entscheidend für die Krise waren dann aber die Ereignisse des 11. Februar 2010. An jenem kalten und verhangenen Donnerstag fand in Brüssel ein Sondergipfel des Europäischen Rats statt. Eigentlich nichts Dramatisches, es ging bei diesem Treffen der Staats- und
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