Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
des Stabilitätsziels einmischen.
Einheitliche Stabilitätskultur
Nun könnte es allerdings passieren, dass ein Mitglied sagt: Wir sind einverstanden, dass es in der Gemeinschaft nur eine Inflation von, sagen wir, 2 Prozent gibt. Aber in unserem eigenen Land möchten wir doch etwas mehr Preissteigerung haben. Dann kommen wir besser mit den Gewerkschaften aus, und auch der Strukturwandel zwischen den einzelnen Sektoren der Volkswirtschaft lässt sich leichter bewältigen, alles geht ein wenig reibungsloser.
Das müssen Sie verhindern. In einer Währungsunion kann es keine unterschiedlichen Stabilitätskulturen geben. Wenn Sie das in einem Zusammenschluss mit unwiderruflich festgelegten Wechselkursen zulassen, würden sich die Wettbewerbsverhältnisse im gemeinsamen Markt permanent zu Lasten der Länder mit der höheren Inflation verschieben. Die dortigen Unternehmen verlören Marktanteile. Sie müssten Leute entlassen und die Arbeitslosigkeit stiege an. Das Wirtschaftswachstum ginge zurück. Die Leistungsbilanz geriete ins Defizit. Und am Ende würden Arbeit und Kapital in das Land oder in die Region wandern, wo die Preise weniger steigen. Das darf Ihnen nicht passieren.
Ganz abgesehen davon können auch direkte negative Wirkungen von der höheren Inflation in einem Land auf die anderen Länder ausgehen. Ein Land kann die anderen mit seiner Geldentwertung anstecken.
Es reicht also nicht, dass die Geldpolitik für alle dieselbe ist. Das Land, das eine höhere Inflation wünscht, kann ja zum Beispiel in Zeiten einer restriktiven monetären Politik für Europa in seinem Land eine expansive Fiskalpolitik betreiben. Damit wird die gemeinsame Geldpolitik unterlaufen.
Regeln statt Gehirn
Für eine gemeinsame Währungsunion reicht es also nicht, dass die Mitglieder die geldpolitische Souveränität an die Gemeinschaft abgeben. Sie brauchen auch Regeln für die Fiskalpolitik. Am naheliegendsten ist es, neben der Europäischen Notenbank ein Europäisches Finanzministerium zu errichten. Der langjährige Präsident der EZB, Jean-Claude Trichet, hat dies zum Ende seiner Amtszeit im Sommer 2011 anlässlich der Verleihung des Karlspreises in Aachen vorgeschlagen. Das ist die sauberste Lösung. Sie wird in allen erfolgreichen Währungsunionen der Nationalstaaten praktiziert. Geldpolitik und Finanzpolitik agieren zusammen, um Wirtschaft und Währung zu stabilisieren.
Dagegen stehen nun aber die Nationalstaaten, die möglichst unabhängig bleiben und möglichst wenige Kompetenzen an die Zentrale abgeben wollen. Insbesondere die nationalstaatlichen Parlamente, deren wichtigste Kompetenz traditionell die Haushaltspolitik ist, haben ein vitales Interesse an dieser Unabhängigkeit. Über die öffentlichen Etats können sie ihre Regierungen steuern und sie auch kontrollieren. Wenn die Regierung etwas anderes macht, als das Parlament vorgibt, streicht man ihr einfach die Mittel, so dass sie die Gehälter ihrer Beamten nicht mehr bezahlen kann. Ich bin sicher, dass das Parlament Ihnen bei dem Vorschlag der Einsetzung eines europäischen Finanzministers schnell das Geld für Ihre Arbeit am Reißbrett streichen würde.
Also müssen Sie sich etwas anderes einfallen lassen. Eine Lösung ist das Prinzip der »schwäbischen Hausfrau«. Sie verpflichten die nationalen Haushalte darauf, eine solide Haushaltspolitik zu betreiben, bei der die Ausgaben nicht oder jedenfalls nicht viel größer als die Einnahmen sind. Dazu legen Sie Stabilitätskriterien fest. In den Maastricht-Verträgen zur Europäischen Währungsunion heißt es beispielsweise, die öffentlichen Fehlbeträge dürften nicht größer als 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sein, die Gesamtverschuldung nicht höher als 60 Prozent. Solche »Verkehrsregeln« für die Finanzpolitik werden mit Strafen bewehrt. Wenn einer dagegen verstößt, bekommt er eine Verwarnung und in schwierigeren Fällen auch ein Bußgeld.
Wenn also alle eine solide Haushaltspolitik betreiben, dann kann der Geldwert nicht gefährdet sein. Gegen eine derartige Einschränkung der Souveränität der Parlamente können auch die Abgeordneten nichts haben. Sie wollen sich ja nicht dem Vorwurf der Unsolidität aussetzen.
Solch eine regelgebundene Fiskalpolitik hat aus der Sicht des Ökonomen freilich den Nachteil, dass kaum eine aktive Konjunktursteuerung betrieben werden kann. Das Gehirn wird zugunsten der Regeln ausgeschaltet. Es ist ein bisschen so wie mit der Geschwindigkeitsbegrenzung auf der
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