Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
dem Zweiten Weltkrieg. Das war zuerst das Bretton-Woods-System mit weltweit fixierten Wechselkursen. Nach dessen Zusammenbruch in den 1970er Jahren folgte die »Schlange im Tunnel«, in der einige europäische Staaten die Kurse ihrer eigenen Währungen in einem weltweiten Floating in einem festeren Verhältnis zueinander halten wollten. Dann kam, gewissermaßen als Verfeinerung und Formalisierung, das europäische Währungssystem.
Es gab zwei Lehren aus diesen Erfahrungen. Die eine war, dass die beteiligten Länder wirtschafts- und währungspolitisch eng kooperieren und sich untereinander abstimmen müssen, um nicht Opfer der internationalen Devisenspekulation zu werden. Nationale Eigenwege sind mit einem Fixkurssystem nicht vereinbar. Die andere war, dass die Beibehaltung unterschiedlicher Währungen in einem Fixkurssystem immer dazu führt, dass die beteiligten Länder gegenüber der Spekulation auf den Devisenmärkten angreifbar sind. Die Spekulation kann sich immer einzelne nationale Währungen als Ziel herauspicken und auf den Märkten so viele Mittel mobilisieren, dass Notenbanken bei der Verteidigung unrealistischer Wechselkurse stets auf verlorenen Posten geraten. Um das nicht zu riskieren, musste man die einzelnen nationalen Währungen abschaffen.
Der erste Schritt
Also, was tun Sie, um eine neue Währungsunion zu gründen? Sie schaffen als Erstes in den neuen Mitgliedsländern die alten nationalen Währungen ab und führen stattdessen eine neue Währung ein. Das ist ein radikaler Schritt. Er ist aber unabdingbar, um die neue Union vor Angriffen der Finanzmärkte zu schützen. Die Beibehaltung nationaler Scheine und Münzen etwa in der Lateinischen Münzunion war eine Schwäche.
Dazu müssen Sie zunächst einmal Münzen und Scheine in der neuen Währung drucken und sie bei der Bevölkerung und den Unternehmen in Umlauf bringen. Dann brauchen Sie eine Institution, die das Ganze managt – die gemeinsame Notenbank für die Union. Sie gibt das Geld aus und überwacht den Zahlungsverkehr. Sie steuert den Geldumlauf so, dass das Geld knapp bleibt und dass keine Inflation, aber auch keine Deflation entstehen kann. Dazu wird sie Leitzinsen festsetzen und die Liquiditätsversorgung der Banken entsprechend dosieren. Sie muss zudem für den Außenwert der Währung zuständig sein. Das heißt, sie schaut auf die Devisenmärkte, ob sich der Wechselkurs so entwickelt, wie es im Interesse der Mitglieder der Währungsunion liegt.
Die alten nationalen Notenbanken werden als eigenständige Institutionen nun nicht mehr gebraucht. Sie können in einer Zeit global vernetzter Märkte nicht mehr an der Zinsschraube drehen. Das war bei früheren Währungsunionen zum Teil anders. Als es noch kein Telefon und keine Fernschreiber gab, war es in einem großen Land wie beispielsweise Amerika durchaus möglich, dass einzelne weit abgelegene Regionen (zum Beispiel Alaska) eine eigene Zinspolitik betrieben. Es gab ja niemanden, der wegen der großen Entfernungen aus unterschiedlichen Zinsen in einem Währungsraum Nutzen ziehen konnte. Das geht heute nicht mehr. In unserem heutigen Modell kann man die nationalen Notenbanken nur noch als regionale Dependenzen oder Filialen einsetzen. Die geldpolitische Souveränität liegt allein bei der zentralen Notenbank.
Nun könnte man denken: Mit der Schaffung einer gemeinsamen Währung und einer gemeinsamen Notenbank ist die Währungsunion komplett. Was muss man sich da noch um andere Institutionen kümmern? Das ist aber ein Fehler. Vielmehr fängt die Arbeit am Reißbrett jetzt erst richtig an: Für die Notenbank muss ein gemeinsames geldpolitisches Ziel festgelegt werden, da man nicht davon ausgehen kann, dass alle Mitglieder der neuen Währungsunion ähnliche oder gleiche Vorstellungen von der stabilitätspolitischen Ausrichtung der Union haben. Die einen wollen ein bisschen mehr Inflation, die anderen ein bisschen weniger. Sie müssen also festlegen, worauf Sie die Notenbank der Union verpflichten wollen, und sicherstellen, dass dies auch tatsächlich so verwirklicht wird.
Am besten ist es, wenn Sie die Notenbank als unabhängiges Gremium aufstellen, deren Politik nicht von einzelnen Staaten beeinflusst werden kann. Es hat sich in der Vergangenheit erwiesen, dass unabhängige Notenbanken ihre Aufgaben besser erfüllen, vor allem, dass sie bei der Inflationsbekämpfung erfolgreicher sind. Im Übrigen sind Sie dann das Problem los, dass die einzelnen Staaten sich bei der Formulierung
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