Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
wirkliche Problem bei einem Verlust des Vertrauens in das Geld stellt sich bei der dritten Funktion des Geldes, der Wertaufbewahrungsfunktion. Geld hilft, dass ich die Einnahmen, die ich durch meine Arbeit erziele, nicht gleich ausgeben muss. Ich kann das Geld aufheben und warten, bis es wieder ein Sonderangebot gibt. Ich kann es aber auch unter das Kopfkissen legen oder für das Alter sparen. Gerade Letzteres wird durch die immer längere Lebenserwartung der Menschen und die Schwierigkeiten der staatlichen Altersvorsorge bei uns immer wichtiger.
Wenn hier das Vertrauen schwindet, dann hat das erhebliche Auswirkungen. Gold ist zwar eine sichere Alternative zur Recheneinheit Geld, bringt aber keine Zinsen. Zudem gibt es in der Welt gar nicht so viel Gold, dass jeder seine Ersparnisse darin anlegen kann. Das gesamte Geldvermögen in der Welt (angelegt in Aktien und Renten) ist 100-mal größer als die gesamten bekannten Goldreserven der Welt.
Als Wertaufbewahrungsmittel wird stabiles Geld gebraucht. Das können die Finanzmärkte nicht so einfach ersetzen. Hier darf es keine Vertrauensprobleme geben. Denn hier geht es um die Zukunftsängste der Menschen.
Leider kann man die Gefahren für den Euro auf diesem Gebiet nicht so leicht vom Tisch wischen. Es gibt sie. Wie oft erkundigen sich die Menschen in ihren Banken oder bei ihren Vermögensberatern, ob sie sich auf den Euro verlassen können? Solche Fragen hat es früher bei der D-Mark nicht gegeben.
Wie steht es mit der Gefahr, dass der Euro auseinanderfällt, wirklich? Wie groß ist sie, und wie funktioniert das in der Praxis? Was passiert, wenn so eine Währungsunion auseinanderbricht?
Hier müssen wir die Fantasie etwas strapazieren. Offiziell gibt es das ja nicht. Kein Zentralbanker und kein Politiker würde hier gerne spekulieren, schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Niemand will schlafende Hunde wecken. Aber Nachdenken muss erlaubt sein. Es ist auch nötig, um sich auf Eventualfälle einzustellen.
Zwei Szenarien sind denkbar
Das eine ist ein langsames »Dahinsiechen«. Die einzelnen Länder sind zunehmend unzufrieden mit der gemeinsamen Währung. Sie verstärken die nationalen Symbole. Vielleicht drucken sie eigene Scheine, zum Beispiel als »deutscher Euro« oder »französischer Euro«, und bringen auch entsprechende Münzen in Umlauf. Das ist zwar in der Währungsunion verboten, wenn aber der politische Zusammenhalt geringer wird, werden die Europäische Zentralbank oder die Euro-Gruppe des Ministerrats oder auch der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs nicht in der Lage sein, dem Einhalt zu gebieten. Zudem kann man darauf verweisen, dass Bargeld in unserer heutigen Zeit ohnehin keine so große Rolle mehr spielt, so dass solche Alleingänge für das Währungssystem der Union nicht bedeutsam wären.
So erodiert die gemeinsame Währung. Das Nationale wird wichtiger, das Gemeinsame weniger wichtig. Der Bürger stellt sich darauf ein. Der letzte Schritt wäre dann die Verlagerung der geldpolitischen Kompetenz von der Europäischen Zentralbank zu den nationalen Notenbanken. Das würde von vielen aber eher als eine »technische Maßnahme« angesehen, die für das tägliche Leben keine große Bedeutung hätte. Die verantwortlichen Personen ändern sich, die Zinspolitik wird anders, die Instrumente verändern sich. Aber wen interessiert das schon? Ein solches Dahinsiechen wäre systemtechnisch von den Unternehmen durchaus zu bewältigen. Natürlich müssten die EDV-Systeme umgestellt werden. Der Zahlungsverkehr auf dem Binnenmarkt müsste neu geordnet werden. Es gäbe plötzlich wieder Wechselkursrisiken.
Anders, wenn die Währungsunion mit einem Paukenschlag auseinanderbricht. Natürlich kündigt sich so etwas vorher an. Es gibt mehr Streit in den Gremien. Politisch kann vieles nicht mehr vorangetrieben werden. Aber wenn der Big Bang plötzlich kommt, dann wird es richtig schwierig. Dann muss neues nationales Geld gedruckt werden. Das ist angesichts der heutigen Sicherheitsanforderungen an Bargeld außerordentlich zeitaufwendig und kostspielig. Experten sagen, dass man zum Druck von neuem Geld mindestens zwei Jahre braucht. In einem solchen Fall müssten auch die EDV-Systeme voll umgestellt werden. Bei Einführung des Euro benötigte man in großen Unternehmen vier bis fünf Jahre, um das zu bewältigen. Dazu kommt, dass auch die Cash-Management-Systeme und Automaten nicht mehr passen. Es erfordert erhebliche Investitionen, um hier wieder
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