Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
grenzt fast an Paranoia. Wann immer in der Union irgendjemand etwas sagt, haben wir Angst, dass wir für andere zahlen sollen. Sei es bei der Gemeinschaftsanleihe, sei es bei den Rettungsschirmen, sei es bei den Interventionen der EZB auf den Kapitalmärkten. So kann man nicht miteinander umgehen.
Zu einer funktionierenden Union gehört die Überzeugung, dass die Mitglieder gemeinsam stärker sind als jedes für sich. Wer daran nicht mehr glaubt, sollte der Gemeinschaft nicht angehören. Jeder kann einmal in Schwierigkeiten kommen. Heute sind es eben die Griechen, Iren und Portugiesen. Morgen sind es andere. Übermorgen könnte es auch Deutschland sein.
Man darf sich daher nicht gegen jede Hilfe stemmen. Man muss nur dafür sorgen, dass die Zahlungen nicht überhand nehmen, dass es nicht immer nur einer ist, der Hilfe braucht, dass die Lasten gerecht verteilt sind und dass die Hilfen nur Hilfen zur Selbsthilfe sind.
Es wird häufig kritisiert, dass Deutschland bei allen Aktionen am meisten zahlen müsse. Das könne man doch nicht hinnehmen. Hier ist aber zu bedenken, dass Deutschland auch das größte Land in der Gemeinschaft ist, folglich muss es absolut gesehen natürlich auch am meisten berappen. Relativ, also gemessen an der Wirtschaftsleistung, ist das aber nicht der Fall: Zu dem neuen Rettungsschirm ESM trägt Deutschland 5,0 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts bei, Italien dagegen 5,32 Prozent, Spanien 5,23 Prozent, Slowenien 6,11 Prozent und Malta sogar 7,33 Prozent.
Bei den Verhandlungen im Europäischen Rat wird durchaus berücksichtigt, dass Deutschland heute nicht mehr das reichste Land der Union ist. Gemessen am Pro-Kopf-Einkommen rangiert Deutschland mit 29.300 Euro pro Jahr hinter Luxemburg (76.500 Euro), Irland (35.800 Euro), den Niederlanden (34.600 Euro), Österreich (32.800 Euro), Belgien (31.400 Euro), Finnland (32.100 Euro) und Frankreich (29.600 Euro).
Bisher 400 Millionen Euro Gewinn
Ich habe bei der Darstellung des Rettungsschirms gezeigt, um welche Summen es sich bei den Hilfsaktionen handelt. Auf Deutschland entfällt eine Haftung von 255 Milliarden Euro, was etwa den Steuereinnahmen des Bundes entspricht. Wenn alles auf einmal schla-gend würde, wäre das Land von einem Tag auf den anderen pleite.
Dennoch: Wir sind, anders als viele uns weismachen wollen, weit entfernt von einer Transferunion. Bisher ist kein Cent an einseitigen Transfers geflossen. Griechenland hat zwar Kredite bekommen, Irland und Portugal erhalten Bürgschaften und Garantien. Aber alle drei müssen dafür Zinsen zahlen.
Für den Steuerzahler ist das bislang ein einträgliches Geschäft gewesen. Die Regierung nimmt die Mittel zu 2 bis 3 Prozent am Markt auf und leiht sie zu 4 bis 5 Prozent aus. Das ist eine Marge, über die jede Bank ganz glücklich wäre. Bei 20 Milliarden Euro (das ist in etwa der Betrag, der bei den Hilfen für Griechenland auf Deutschland entfällt) entsteht ein Gewinn von 400 Millionen Euro pro Jahr – ein schönes Zubrot für den Finanzminister.
Also alles nur Panikmache? So einfach ist es leider auch wieder nicht. Zum einen zahlt Deutschland im Rahmen der Europäischen Union einen Nettobeitrag an Brüssel. Das ist der solidarische Ausgleich zwischen den starken und den schwachen Ländern, so wie er in den Römischen Verträgen vorgesehen war. Er ist aber relativ gering. Es handelt sich pro Jahr etwa um weniger als 10 Milliarden Euro (0,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts). Das hat freilich nichts mit der Währungsunion zu tun. Das gab es auch schon vorher.
Zum anderen besteht das Risiko, dass die eine oder andere Schuld im Zusammenhang mit den Rettungsschirmen am Ende doch nicht zurückbezahlt wird. Ich glaube zwar nicht, dass Deutschland von dem Geld überhaupt nichts mehr zurückbekommt. Genauso naiv wäre es aber anzunehmen, dass es überhaupt keine Ausfälle geben wird. Die Risiken, die für den deutschen Steuerzahler gegenüber Griechenland, Irland und Portugal im Feuer stehen, sind aber immer noch deutlich geringer als etwa die Risiken für die Hypo Real Estate in Deutschland.
Als echte Gefahr mag man sehen, dass unter dem Deckmantel der Solidarität in der Währungsunion doch allmählich ein System von Transfers entsteht. Da muss man schon wachsam sein.
Natürlich kann man sich nicht vorstellen, dass es innerhalb Europas zu einem Finanzausgleich so wie zwischen den deutschen Bundesländern kommen wird. In Europa kann es auf absehbare Zeit nicht gleiche
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