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Rettungskreuzer Ikarus Band 005 - Requiem

Rettungskreuzer Ikarus Band 005 - Requiem

Titel: Rettungskreuzer Ikarus Band 005 - Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
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Erinnerung, der Captain hielt sich nur mit äußerster Energie
aufrecht. Anande nahm den Injektor in die Hand. Sentenza nahm es gar nicht wahr
und fuhr fort, zwischendurch stoßweise atmend.
    »Und es gab einiges zu bemerken, Doktor. Kronprinz Joran war als Offizier
eine Niete, aber als Intrigant Spitzenklasse. Muss in der Familie liegen. Er
scharte eine Gruppe von willigen Offizieren und Kadetten aus meinem Team um
sich, die sich wohl alle, nicht zu Unrecht, Protektion für eine schnelle
Karriere versprachen. Was ich bei all dem Jubel und der Verehrung nicht realisiert
hatte, war, dass ich automatisch immer im absoluten Mittelpunkt des Interesses
stand, wenn unser Schiff irgendwo im Multimperium festmachte. Und das mit jemandem
an Bord, der diese Aufmerksamkeit eigentlich für sich reklamierte.«
    »Der Kronprinz«, warf Anande ein.
    Ein leises Zischen erklang, als er das Schmerzmittel in Sentenzas Blutbahn schoss.
Der Captain entspannte sich nach wenigen Sekunden, und in sein Gesicht kehrte
etwas Farbe zurück. Er sah Anande dankbar an, fuhr jedoch in seinen Schilderungen
fort. Es schien, als sei er froh, einmal alles jemandem aus seiner neuen Mannschaft
erklären zu können. Anande nickte ihm zu und sagte nichts weiter.
    »Ja, der Kronprinz«, bestätigte Sentenza mit gedehntem Tonfall.
»Irgendwann wurde es der eitlen Seele zu viel. Bei einem Manöver hatte
der Prinz im Rahmen seiner weiteren Ausbildung – er musste es ja wie alle
Prinzen vor ihm irgendwie bis zum Captain bringen – das Kommando über
die Antagonist . Er hatte für dieses Manöver seinen Fanclub
in allen wichtigen Positionen verteilt. Offenbar war er zu dem Schluss gelangt,
es sei wohl nun ein Heldenstück von seiner Seite notwendig, um sein etwas
hinter meiner strahlenden Präsenz untergegangenes Ich wieder aufzuwerten.
Jedenfalls steuerte er die Antagonist mitten in unsere Manövergegner
hinein, ein strategisches Geschwader Leichter Kreuzer. Während eines richtigen
Gefechts wäre das Schiff von allen Seiten in Sekundenschnelle zerschossen
worden. In diesem Manöver, und in der Kenntnis, dass der Kronprinz das
Kommando des Schiffes führte, wollte niemand ein Spielverderber sein und
auch nur in der Simulation die Antagonist ausknipsen. Stattdessen rammte
der Kronprinz, der die direkte Steuerung im manuellen Override übernommen
hatte, den Leichten Kreuzer Orpheus und flog ihn zu Schrott, beschädigte
dabei die Antagonist schwer. 110 Tote, fast 200 Verletzte.«
    Anande reagierte nicht.
    Sentenza fuhr ungerührt fort.
    »Natürlich wurde ich dafür verantwortlich gemacht, und ich war
es ja auch – zum Zeitpunkt des Vorfalls hatte ich mich nicht einmal auf
der Brücke aufgehalten. Natürlich konnte auch dem verrückten
Kronprinz nicht direkt der Prozess gemacht werden. Natürlich erwartete
der Kaiser von mir, dass ich die Ergebnisse der Untersuchung zu Gunsten seines
Sohnes beeinflusste. Natürlich wurde von mir verlangt, das Ansehen des
Kaiserhauses zu schützen und alles auf meine Kappe zu nehmen. Natürlich
wurde ich verurteilt, wobei das Urteil recht gnädig ausfiel, was sicher
der Teil des Deals war, den der Kaiser einzuhalten gedachte. Dazu kam eine persönliche
Tragödie: Der schwer verletzte Kronprinz Joran sprach nicht auf moderne
regenerative Heilbehandlungen an – ein genetischer Fehler, der in der ganzen
Kaiserfamilie zu finden ist, glaube ich. Man hat ihn wohl wieder einigermaßen
hergestellt ..., aber ich habe gehört, auch heute soll Joran keinen sonderlich
angenehmen Anblick bieten. Ich wurde jedenfalls mit Schimpf und Schande aus
der Marine geworfen, und nur die Tatsache, dass ich mit dem höchsten Orden
dekoriert worden war – den man mir natürlich nach Abschluss des Verfahrens
still und heimlich aberkannte – verdanke ich den Erhalt meines Kapitänspatents.
Für mich war eine Welt zusammengebrochen, ich war sozusagen ›aufgewacht‹,
um in einem furchtbaren Alptraum zu leben. Im Nachhinein wundert es mich nicht,
dass ich nach der langen Untersuchungshaft und dem Urteil abstürzte und
an der Flasche hing. Ich darf mich fast glücklich schätzen, vor härteren
Sachen zurückgeschreckt zu sein ...«
    Anande nickte. »Darüber können Sie in der Tat froh sein, Captain.
In gewisser Hinsicht ist das Kommando über ein altes, umgebautes Rettungsschiff
mit dieser Art von Besatzung ein ziemlicher Absturz im Vergleich zur

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