Rettungskreuzer Ikarus Band 008 - Das Janus-Elixier
benutzen.«
»Und wohin sollen wir fliehen?«, gab Shilla unhörbar zurück,
wobei sie einen Blick in die bezeichnete Richtung vermied. »Die Soldaten
sind in der Überzahl. Sie haben Angst, Angst vor uns und vor den Vorgängen
in der City. Keiner von ihnen hat eine Ahnung, was passiert, da nur wilde Gerüchte
kursieren. Sie gehorchen ihren Befehlen und werden auf alles schießen,
was ihnen bedrohlich erscheint. Möchtest du dich etwa unter die Kranken
mischen, vielleicht mit einem beschädigten Anzug? Und selbst wenn wir das
Glück hätten, unversehrt zu entkommen, wir sind Fremde, denen niemand
helfen würde. Uns hätte Schlimmeres widerfahren können, als eingesperrt
zu werden. Und das ist bestimmt nicht die erste Zelle, die du von innen siehst
... Weshalb bloß bist du so nervös? Wir können hier warten,
bis alles vorbei ist, oder ausbrechen, wenn das dein Wunsch ist. Ich hingegen
bin für das kleinere Übel.«
»Bleibt die Frage, welches Übel wirklich das kleinere ist«, murmelte
Jason, und ein Schatten flog über sein Gesicht.
Das Eingesperrtsein, das tatenlose Harren der Dinge, die man für sie im
Sinn haben mochte, empfand er als schier unerträglich. Das alles hatte
er schon einmal durchgemacht. Es war genau wie damals. Ungewissheit. Dunkle
Ahnungen. Unterdrückte Furcht. Trügerische Hoffnung. Bilder blitzten
kurz in seiner Erinnerung auf, um sogleich verdrängt zu werden. Er wollte
nie mehr daran denken an die schreckliche Zeit auf -.
Shillas rechte Braue wanderte in die Stirn hinauf. Es bestand eine Art stille
Übereinkunft zwischen ihnen, dass keiner neugierige Fragen stellte, wenn
der andere nicht von sich aus zu sprechen anfing.
Inzwischen war Jasons Miene wieder völlig ausdruckslos. »Was willst
du damit sagen?«, erkundigte er sich in Gedanken und ließ sich auf
der zweiten schmuddeligen Liege nieder. »Du hast natürlich Recht,
dass wir einen günstigen Moment abwarten müssen und es von Vorteil
ist, je mehr wir über die Vorgänge da draußen wissen. Aber ausbrechen,
wenn das mein Wunsch ist ...?«
Die Vizianerin machte es sich auf der harten Pritsche so bequem, wie es möglich
war, und schloss die Augen, als wolle sie schlafen. »Ich werde noch ein
wenig lauschen«, ließ sie ihn wissen. »Mach ein kleines Nickerchen,
Jason. Wir werden hier herauskommen.«
Der Vize-Administrator blickte verärgert auf seine versammelten Mitarbeiter,
die teils verlegen, teils verwirrt dem Augenkontakt mit ihm auswichen. Alle
trugen ausnahmslos die hellgraue Schutzkleidung, die sie als Verwaltungspersonal
kennzeichnete. Eine gedrungene Sekretärin versuchte angestrengt, ihren
heftigen Schluckauf zu unterdrücken.
»Wie konnte das passieren?«, herrschte er seine Leute an. »Weshalb
hat man mich nicht früher informiert? Auf dem ganzen Planeten ist das Chaos
ausgebrochen. Und ich weiß nicht einmal, was geschehen ist. Weshalb erhalte
ich keine Verbindung zum Hohen Administrator?« Er fixierte einen jungen,
pickligen Mann. »Patterson, ich verlange eine Antwort!«
Der Angesprochene schaute Hilfe suchend zu seinen Kollegen, die jedoch sichtlich
erleichtert waren, dass nicht sie zur Rede gestellt wurden.
Rand Patterson räusperte sich mehrmals, um Zeit zu gewinnen. »Ja ...
äh ..., das war so. Der Hohe Administrator hat ... äh ... die Anweisungen
gegeben. Informationen, die auf den Ausbruch einer Seuche schließen lassen,
sollten geheim gehalten und nur ihm mitgeteilt werden. Eine Panik wollte er
unter allen Umständen vermeiden.«
»Vermeiden?«, brüllte der Vize-Administrator dazwischen. »Geschürt
hat er die Panik durch diesen Schwachsinn. Wertvolle Zeit haben wir dadurch
verloren.«
»Und ... äh ... seit einer Stunde reagiert er nicht mehr auf unsere
Anrufe«, fuhr Patterson fort. »Darum hielten wir es für das Beste,
Sie von dem Besuch der Agrarplexe zurückzuholen.«
»Aha«, machte der Vize-Administrator gefährlich sanft. »Plötzlich
hat irgendjemand nachgedacht. Warum konnten Sie Ihre Eierköpfe nicht eher
benutzen? Manchmal könnte man meinen, Sie haben diese runden Dinger nur,
um einen Helm darüber zu stülpen. Hat man in der Zwischenzeit herausgefunden,
aus welchem Grund der Chef nicht ans Sprechgerät geht?«
»Da die Tür zu seinen Räumen von innen gesichert ist und er die
Codierung nicht aufheben wollte, ist ein Gleiter gestartet. Der Pilot schickte
uns Bilder von dem, was er
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