Rettungskreuzer Ikarus Band 009 - Seer'Tak City-Blues
als lokale Priesterin, vielleicht mit einer Krönung
zur salusianischen Akolythin und einer Aufgabe im Großen Tempel.
Tatsache war jedoch, dass ihre Leidenschaft für den Weltraum und ihre außerordentliche
Begabung bei der Bewältigung unorthodoxer Aufgaben bald das Augenmerk der
Kirchenoberen auf sie gelenkt hatten. Sie war geladen worden, dem Pfad des
Glaubens beizutreten und hatte ihre astronautische Ausbildung mit Bravour
bestanden. Vor zehn Jahren war sie zur jüngsten Kommandantin der Missionsflotte
ernannt worden, auf exakt dem Schiff, das sie jetzt immer noch befehligte, der Trinity . Siridan Dante kannte nichts anderes als diese Arbeit, und sie
liebte sie wie die Kirche selbst.
Auch diesmal war sie fest entschlossen, all ihre Kraft für die Erfüllung
dieser Mission einzusetzen, bis hin zum Tode als Märtyrerin; ein Schicksal,
dem sie bisher durch Klugheit und eine eher flexible Deutung der Kirchenregeln
glücklicherweise immer entkommen war.
Die Trinity schwang langsam auf Seer'Tak City hinab. Die Kirche war in
dieser Stadt nicht wirklich unwillkommen – Religionen jeder Art gaben sich
im Schmelztiegel der Siedlung ein Stelldichein. Dennoch war die Ankunft eines
Missionskreuzers ungewöhnlich, und der Trinity eilte mittlerweile
in gewissen Kreisen ein Ruf voraus. Siridan war sich sicher, dass Vertreter
dieser Kreise auch auf Seer'Tak ihr Unwesen trieben, was ihre Aufgabe eher nicht
vereinfachen würde.
Ihre Aufgabe ...
»Wir sind im unmittelbaren Landeanflug, Raumprior«, erklärte
der Pilot routiniert.
Siridan nickte nur knapp.
Ihre Aufgabe ... Der Erzprior hatte ihr wahrscheinlich nicht alles gesagt, was
er wusste – oder zumindest ahnte –, doch hatte es im Inneren Kreis
eine Vision gegeben, die eine Warnung beinhaltet hatte. Visionen waren in den
letzten Jahren selten geworden, und erst in diesem Jahr hatte man wieder öfter
über sie geredet. Diese jedoch war die erste, von deren Existenz Siridan
Dante aus berufenem Munde erfahren hatte.
Die Vision, so die Deuter, hätte auf diesen Ort gewiesen und eine sich
anbahnende Gefahr. Dante hatte den Auftrag erhalten, nach dem Rechten zu
sehen , was immer das konkret bedeuten mochte. In der Tat hatte der Erzprior
ihr durch die Blume zu verstehen gegeben, dass sie jede Freiheit hatte, um ihr
Ziel zu erreichen – was immer dieses Ziel dann im Endeffekt auch sein würde.
Dante hatte beschlossen, nach der Landung erst einmal das Gespräch mit
dem hiesigen Tempelprior zu suchen, denn die wussten meist mehr als sogar das
Informantennetzwerk des Pfad des Glaubens . Danach würde man weitersehen.
Noch einmal warf Siridan Dante einen Blick auf das kleiner werdende Bild der Ikarus II, und ein seltsames Gefühl beschlich sie –
als ob der offenbar havarierte Rettungskreuzer etwas mit dem zu tun haben mochte,
was sie hierher geführt hatte. Dante verscheuchte diese Gedanken, die ihr
bei den anstehenden Aufgaben nicht weiterhelfen würden und bemühte
sich, ihr Selbst zu fokussieren. Dennoch machte sie sich eine mentale Notiz,
ein Auge auf die Ikarus zu werfen – Ahnungen hatten sie noch nie
betrogen, zumindest nicht oft. Es schadete nicht, einen kleinen Teil ihrer geistigen
Aufmerksamkeit dieser Eingebung zu widmen. Wer wusste schon, wofür es später
gut war.
Als die Trinity auf den Landeplatz hinunterglitt, war die Aufmerksamkeit
Dantes schon wieder ganz woanders. Sie begann, die aktuellen Datenbanken der
Stadt abzurufen – auf der Suche nach ...
... nach irgendwas.
Jason Knight war auf den Raumhafen zurückgekehrt, nachdem er sich mehrmals
vergewissert hatte, nicht verfolgt zu werden. Natürlich wusste jeder, der
es wissen wollte, dass die Celestine auf Seer'Taks Raumhafen lag und
er selber war so bekannt wie der bunte Catzig, doch diese Vorsichtsmaßnahmen
waren Knight zur Natur geworden, gerade in Gegenden wie dieser.
Etwas gedankenverloren überquerte Knight das Areal und betrat die ausgefahrene
Rampe des Schiffes. Er holte einen Codegeber hervor und aktivierte das Schleusenschott,
das vor ihm aufglitt. Er nahm sich vor, erst einmal gründlich zu duschen
und anschließend über das weitere Vorgehen mit Shilla zu beraten.
»Shilla?«, rief er laut in die offene Schleuse hinein. Eigentlich
war das unnötig, denn sie konnte seine Gedanken lesen, aber er für
seinen Teil zog die akustische Kommunikation vor.
Keine Reaktion!
Jason Knights Nacken
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