Rettungskreuzer Ikarus Band 009 - Seer'Tak City-Blues
gewartet. Zu lange. Angesichts
des dringlichen Untertons, mit dem ihn Sally vor etwa einer Woche von Vortex
Outpost hierher beordert hatte, konnte er sich diese Geduldsprobe nicht recht
erklären. Er starrte leicht verbittert auf die Sekretärin, die für
diesen Trakt des Raumcorps-Hauptquartiers verantwortlich war und die Empfangsdame
für drei Corpsdirektoren spielte. Sie lackierte sich gelangweilt die Fingernägel,
eine Tätigkeit, die von Sekretärinnen offenbar seit Jahrtausenden
ohne Rücksicht auf die eventuelle Anwesenheit Wartender durchgeführt
wurde. Immerhin, musste Sentenza zugeben, die gute Frau hatte bemerkenswert
schöne Hände und außerordentlich gepflegte Fingernägel.
Das passte zu dem geschmackvoll eingerichteten Ambiente des Wartebereichs, den
luxuriösen Sesseln mit ihrer automatischen Formanpassung, den herumwuselnden
Servicerobotern, die bereits mehrmals versucht hatten, ihm Getränke oder
warme Snacks anzubieten, den edel aussehenden Gemälden und Holographien
und den nicht weniger beeindruckend wirkenden anderen Wartenden, die in maßgeschneiderten
Anzügen und Kostümen in den Sesseln saßen, sich halblaut unterhielten
oder holographische Displays mit Wirtschaftsdaten betrachteten. Hin und wieder
streifte ihn ein halb amüsierter, halb neugieriger Blick, was sicherlich
nicht zuletzt daran lag, dass Sentenza in der einfachen Corpsmontur, die er
auch auf der Ikarus zu tragen pflegte, hier tatsächlich etwas deplatziert
wirkte.
Und so fühlte er sich auch. Er hatte Sonja DiMersi das Kommando auf der Ikarus mit gutem Gewissen überlassen – in der Tat musste er
sich eingestehen, dass er ein erstaunlich hohes, festes Vertrauen in die Fähigkeiten
Sonjas entwickelt hatte, über dessen Herkunft er sich auch noch nicht vollends
im Klaren war. Dennoch war dies hier nicht der Ort, an dem er sein wollte. Er
erinnerte ihn an die Offiziersmessen im Galaktischen Multimperium, in denen
er vor noch nicht allzu langer Zeit einmal ein gern gesehener Gast gewesen war.
Sentenza verscheuchte die Geister der Vergangenheit und konzentrierte sich auf
das Nahe liegende. Eben wollte er sich erheben, um sich bei Sally in Erinnerung
zu rufen, da unterbrach die Sekretärin ihre Maniküre und lauschte
scheinbar ins Nichts. Tatsächlich hatte sie einen winzigen Lautsprecher
im Ohr. Ihre angenehm und kunstvoll modellierten Gesichtszüge verzogen
sich zu einem sorgfältig einstudierten, absolut hinreißenden Lächeln,
als sie Sentenza anstrahlte und ein »Sie können jetzt zu Direktorin
McLennane!«, flötete. Sentenza kam nicht umhin, trotz seiner schlechten
Laune dieses Lächeln zu erwidern. Er erhob sich und marschierte ohne weitere
Verzögerung auf Sallys Büro zu.
Die Tür öffnete sich, und Sallys wohlbekannte Stimme empfing ihn.
»Captain – willkommen im Hauptquartier des Raumcorps. Bitte, setzen
Sie sich!«
Die kahle und extrem nüchterne Einrichtung des Büros wirkte wie eine
kalte Dusche. Sentenza bewahrte Haltung, warf nur einen knappen Blick in das
spartanisch ausgestattete Büro, dann setzte er sich in einen der billigen
Plastiksessel, dessen Kunststoffüberzug zischend Luft ausströmte,
als er sich auf ihn fallen ließ.
Er fasste Sallys Gesicht in den Blick und konnte nichts erkennen, was sich verändert
hatte – das war zwar jetzt die Direktorin für die Grenzregion, es
war aber auch die gleiche alte kalte Fischschnauze Sally McLennane, an die er
sich fast gewöhnt hatte. Fast.
Er zwang sich zu einem schiefen Grinsen.
»Danke – Sie haben mich rufen lassen? Ich vermute, es handelt sich
um etwas Wichtiges?«
Sally verzog das Gesicht. Im Grunde hatte sie erwartet, dass Sentenza gleich
zur Sache kommen würde. Er wollte hier so schnell wie möglich wieder
weg, und wer konnte ihm das verübeln.
»Captain ..., ja, sicher. Wie steht es um die Rettungsabteilung?«,
fragte sie leutselig.
»Sie bekommen meine Berichte – und sicher noch einige mehr von Captain
Losian!«, knurrte Sentenza. Losian, der pensionierte Corpscaptain, erledigte
für ihn den Verwaltungskram der Rettungsabteilung und war bereits Sallys
rechte Hand auf Vortex Outpost gewesen, als man Sentenza rekrutiert hatte.
Die Frau lächelte spöttisch. »Ich lese die Berichte mit Sorgfalt«,
antwortete sie neutral. »Dennoch, ein persönlicher Eindruck kann dadurch
nicht ersetzt werden.«
Sentenza seufzte. Sally hatte ihn doch nicht aus
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