Rettungskreuzer Ikarus Band 013 - Das Leid der Schluttnicks
LebensjahrZEHNT
maximal drei Zentimeter an Durchmesser zunahm! Das bedeutete nichts geringeres,
als dass er Jahrhunderte warten musste, bis er eine für einen Schluttnick
respektable Rundung erreichen konnte, ganz im Gegensatz zu den anderen Besatzungsmitgliedern,
die mit ein paar guten Mahlzeiten viel zu bewegen vermochten. Vor seinem geistigen
Auge sah Thorpa die grauenhafte Zukunft vor sich: Roderick Sentenza, wie er
sicher und beeindruckend aus seinem verbreiterten Kommandosessel quoll, neben
sich in aller Herrlichkeit seine gewichtige Gefährtin und Chief Sonja DiMersi,
deren blaue Augen nur noch so eben aus den Fettrollen blinzelten. Weenderveen,
träge, rund und erfolgreich. Selbst der dürre Anande würde spätestens
mit der Erlangung eines Chefarzttitels seine neuen Kittel zehn Nummern größer
kaufen müssen. Sogar Trooid konnte darauf hoffen, dass sein Erschaffer
ihm einen neuen, Respekt einflößenden Körper bauen würde.
Nur er, Thorpa, bliebe der ewige, ewige, ewige Praktikant, dünn wie ein
Streichholz ...
Es sei denn ...
Fast widerwillig, aber doch voller finsterer Entschlossenheit, beugte sich Thorpa
vor und gab eine Anfrage in den Computer ein. Für die meisten anderen wäre
es eine harmlose Nachforschung, doch für einen Pentakka kam es einem religiösen,
einem auf allen Ebenen tabuisierten Frevel gleich. Es dauerte nicht lange, bis
er die gewünschten Informationen auf dem Schirm hatte, lange Darstellungen
komplexer chemischer Verbindungen. Ein Schaudern ging durch die Zweige des Baumwesens.
Das wäre also sein Weg zu Ansehen und Masse, sein Schlüssel zu dem
Tor, das ihm eine Karriere versperrte. Andere Pentakka hatten diesen Weg auch
schon beschritten, aus ebenso wichtigen oder unwichtigen Gründen, und viele
von ihnen waren nach einer kurzen Zeit des Glanzes gestorben. Stammbrüche,
Vergiftungen, Erweichungen des Körperkerns – er kannte alle schrecklichen
Folgeschäden. Und doch, vielleicht wäre das die einzige Möglichkeit.
Thorpa lehnte sich wieder zurück und prüfte seine Entschlossenheit
und seinen Mut. Wäre er dazu bereit? Freude und Gefahr verbargen sich hinter
diesem einen, unscheinbaren Wort: Hochleistungs-Dünger.
Es war eine seltsame Atmosphäre in dem kleinen Büro, in das der Verwalter
der Rettungsabteilung noch einige zusätzliche Sitzgelegenheiten hatte quetschen
lassen. Für größere Besprechungen stand ihm natürlich sonst
ein passenderer Raum zur Verfügung, doch aus irgendeinem Grund war es ihm
lieber gewesen, dieses Gespräch in der gänzlich abhörsicheren
und persönlicheren Umgebung seines Arbeitszimmers zu führen. Er konnte
nicht einmal genau sagen, was ihn dazu bewogen hatte und weswegen er sich trotzdem
unwohl fühlte, fast nervös. Vor ihm saßen Leute, deren Arbeit
er sehr schätzte und die sich in den letzten Monaten als extrem zuverlässig
und loyal erwiesen hatten. Er konnte sich auf sie verlassen ... normalerweise.
Und dieser gedankliche Zusatz war es, der ihn so beunruhigte, denn irgendetwas
entsprach hier ganz und gar nicht mehr der Norm.
Mit einem fast zu lauten Räuspern bat Losian schließlich um die Aufmerksamkeit
der Versammelten.
»Ich habe Sie alle hierher gebeten«, begann er das Gespräch,
»weil Sie sich seit dem Einsatz auf Schluttnick-Prime etwas ... sonderbar
benommen haben.«
Die versammelte Crew der Ikarus , außer dem noch immer defekten
Androiden Trooid, sah ihn erwartungsvoll an. Es entging ihm nicht, dass sie
fast ohne Ausnahme rundlicher im Gesicht geworden waren und ihre Kleidung entgegen
des Protokolls des Raumcorps sehr lässig trugen. Captain Sentenza, der
eigentlich sein Vorgesetzter war, sich jedoch in letzter Zeit bemerkenswert
wenig um die Leitung der Rettungsabteilung gekümmert hatte, saß seltsam
breitbeinig auf seinem Stuhl, den Rücken durchgedrückt, als hätte
er ein Hohlkreuz, und die Arme in einer fast anmaßend wirkenden Haltung
auf den Lehnen. Der Overall von Chief DiMersi war sicherlich gut drei Nummern
zu groß und ließ sie wie eine Stoffqualle aussehen – mechanisch
hob sie kleine Stückchen Schokolade aus einer Schachtel auf dem Tisch und
schob sie sich in den Mund, während sie auf die nächsten Worte Losians
wartete. Weenderveen wirkte apathisch, er bewegte sich kaum, sondern hing in
seinem Stuhl wie ein nasser Sack. Nur seine wachen Augen verrieten, dass der
Robotiker bei Bewusstsein war.
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