Rettungskreuzer Ikarus Band 014 - Phönix
hatte sie es nicht kommen lassen wollen.
Sie versuchte sich mit dem Gedanken zu trösten, dass der andere ihr ans
Leder wollte und sie in Notwehr gehandelt hatte. Mit einem Mal war sie sich
auch nicht mehr so sicher, dass Wadda und seine Komplizen genug Verstand besaßen,
sie am Leben zu lassen, um die ungleich höhere Belohnung einzustreichen,
die auf ihren Kopf ausgesetzt war. Es war ihnen durchaus zuzutrauen, dass sie
sich mit den läppischen Fünfundzwanzigtausend begnügten.
Missmutig blickte Sonja an sich herab. Sie versuchte, die Stofffetzen wieder
zusammenzufügen, doch das klappte nicht. Ihre Brüste lugten durch
die aufgerissene Montur. Sie kam sich nackt vor und versuchte, das unangenehme
Gefühl zu verdrängen, das damit einherging. Achselzuckend klaubte
sie den fallen gelassenen Blaster auf, wandte sich um und schritt den Korridor
zum Aufzug zurück. Sie rief die Kabine per Knopfdruck. Wahrscheinlich waren
die anderen unten jetzt alarmiert. Sonja prüfte den Ladestand ihrer Waffe.
Der Anzeige nach verfügte sie über volle Energie und würde ihre
Haut so teuer verkaufen, wie nur möglich.
Als die Türen sich beiseite schoben und Sonja in den Lift stieg, drehte
sie sich um und sah am fernen Ende des Korridors die Leiche von Waddas Kumpane.
So oder so, sie würden jetzt erst recht Jagd auf sie machen.
Die Brücke hatte sich von einem Augenblick auf den anderen in einen aufgeschreckten
Hühnerstall verwandelt. Kommandooffiziere und Crewmen liefen von einer
Station zur nächsten, brüllten Statusmeldungen und Befehle. In einigen
Gesichtern stand Panik. Andere Besatzungsmitglieder schienen den überraschenden
Überfall gelassen wegzustecken und kamen den Anweisungen im Eiltempo nach.
Nicole van der Lindern stand am Backbordausguck der Seezunge und starrte
nachdenklich auf die feinen Explosionstrümmer, die in alle Richtungen auseinander
stoben und die kläglichen Überreste eines garillonischen Patrouillenbootes
darstellte. Kaum waren sie auf Feindesgebiet eingetroffen, hatten sie bereits
einen kleinen Krieg angezettelt. Das Wachschiff wäre vielleicht das kleinere
Problem gewesen. Sie hatten ohnehin vorgehabt, dessen Funkverkehr zu stören,
es zu entern und aus dem Verkehr zu ziehen, bis sie den Flugvektor zu den Koordinaten
zu Lonny Starfs Schiff berechnet hatten und einen Hyperflug wagen konnten. Ja,
in der Theorie war die Übernahme durch einen Kommandotrupp einfach gewesen,
aber die Präsenz des Corps-Kreuzers in unmittelbarer Nähe hatte sie
zu schnellem Handeln bewogen – nun steckten sie in einem Dilemma, das sie
den Kopf kosten konnte, wenn Ihre Majestät davon erfuhr.
Ein Räuspern neben sich ließ sie ihre Gedanken unterbrechen. Nicole
wandte sich zur Seite und blickte in das ernste Gesicht ihres Ersten Offiziers.
»Zuerst die Schäden und Verluste«, bat der Captain.
»Zwei Tote im Maschinenraum, drei schwer Verletzte auf dem selben Deck
und ein halbes Dutzend leicht Verletzte auf den Decks vier bis sieben an Steuerbord.
Manövriertriebwerke bei voller Leistung, Sublichtantrieb arbeitet mit halber
Kraft. Der Hyperantrieb ist beschädigt.«
»Beschädigt?«, fuhr Nicole dazwischen. »Wie lange?«
»Geschätzte Reparaturzeit etwa drei Stunden, ehe wir einen Versuch
wagen können«, antwortete Sandro D'Angelo.
»Weiter.«
»Die Schildgeneratoren an Steuerbord laufen momentan mit einer Kapazität
von siebzig Prozent. Kleine Risse in der Außenhülle konnten abgedichtet
werden.«
»Haben Sie den Angreifer identifiziert?«, fragte Nicole.
»Ein Corps-Kreuzer«, gab D'Angelo zurück. »Der Datenbank
nach, weist er die Spezifikationen eines neuen Modells auf, das als fliegende
Ambulanz im Outback eingesetzt wird – eigentlich operiert er zu weit entfernt
von seinem üblichen Sektor.«
»Warum waren unsere Achter-Schilde deaktiviert?«
D'Angelo straffte sich und blickte betrübt zu Boden. Seine Stimme wurde
leiser, als er sprach: »Standardprotokoll bei frontalen Kampfhandlungen.
Sämtliche verfügbare Energie wurde in die Bug- und Bordschilde gepumpt.«
»Ich kenne das Protokoll, Eins!«, fauchte Nicole gereizt. »Aber
wir haben nicht auf ein Großkampfschiff gefeuert, sondern auf ein Patrouillenboot.
Es wäre nicht notwendig gewesen, unsere volle Schildkapazität auf
den Bug auszurichten. Mit aktivierten Achterschirmen hätten wir dem Plasmabeschuss
trotzen können.«
»Aye, Ma'am.«
»Wohin
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