Rettungskreuzer Ikarus Band 017 - Das Anande-Komplott
für einen großen Raum philosophische Erörterungen
im Gegensatz zu der recht zielgerichteten, faktenbezogenen Ausbildung im Raumcorps
einnahmen. Gewiss, nach den zehn Semestern war ein Pentakka der mit Abstand
beste Xenopsychologe, den man im ganzen bekannten Universum finden konnte –
von natürlichen Empathen und Telepathen vielleicht abgesehen, denen jedoch
die fundierte Ausbildung fehlte. Aber es hatte schon seinen Grund, weshalb das
Studium so lange dauerte ...
Wenn Herr Thang diese Einschränkungen kannte, so wies er nicht mehr darauf
hin. Im gleichen Maße, wie von Bussev den Zeugen ungerechtfertigt als
unerfahren und somit wenig glaubwürdig hingestellt hatte, tat Hwang Thang
nun das Gegenteil und wetzte die Scharte wieder aus. Was übrig blieb, waren
Thorpas Aussagen über die Persönlichkeit Anandes, und als der Pentakka
endlich den Zeugenstand verlassen und zu seinem Platz zurückkehren durfte,
hatte er den Eindruck, die Sache gar nicht so schlecht gemacht zu haben.
6.
Der Konferenzraum, in den man Sally McLennane geleitet hatte, war weit und geschmackvoll.
An den Wänden hingen Vergrößerungen von chemischen Stoffen,
eingefärbte Kristallstrukturen mit der ganz eigenen Schönheit des
Mikrokosmos. Sally betrachtete sie eingehend, als sie müßig an ihnen
vorbei schlenderte und fragte sich, hinter welchen Bildern wohl die versteckten
Kameras sein mochten, mit denen der Raum sicherlich überwacht wurde. Man
hatte sie hier allein gelassen und ihr gesagt, dass der Vorstand des » Holy
Spirit Medics «-Konzerns so rasch wie möglich zu ihr käme,
es könne aber dauern, ihr Anliegen wäre eben etwas überraschend,
ob sie nicht doch lieber einen Termin machen wollte? Nein, sie wollte nicht.
Selbstverständlich würde der Vorstand erst im geheimen eine kurze
Krisensitzung hinter sich bringen, also richtete sich Sally auf eine längere
Wartezeit ein. Irgendwann brachte eine Sekretärin ein Tablett mit Getränken
und einem kleinen Imbiss und bat mit geübten leeren Worten um Entschuldigung
für die Verzögerung.
Fast eine Stunde später öffneten sich die großen Holztüren
erneut, und fünf Leute traten ein – ihre Schritte machten auf dem
dicken Teppich kaum ein Geräusch, und sie waren so still, dass man die
ganze Gruppe für eine Geistererscheinung hätte halten können.
Eine Frau war Sally McLennane durchaus bekannt – Anna Sorren warf ihr einen
beunruhigten Blick zu, ehe sie zu ihrem Sessel ging. Es war jedoch ein Mann
mittleren Alters mit sehr schütterem Haar, der den ungebetenen Gast mit
scheinbarer Freundlichkeit begrüßte.
»Sie wissen sicherlich, warum ich hier bin«, eröffnete Sally
das Gespräch unumwunden, ohne großen Raum für höfliches
Geplänkel zu lassen.
»Uns wurde gesagt, es ginge um den Prozess gegen unseren ehemaligen angestellten
Doktor Anande. Eine schlimme Geschichte.« Der kahl werdende Mann hieß
Nicolai Sorojew, hatte seit fünf Jahren seinen Posten im Vorstand und nahm
nun den Platz des verstorbenen Perusko ein. Vergleichsweise war er ein alter
Hase – Anna Sorren und ein Rimundi namens Skulyx waren weniger als zwei
Jahre hier. Über die verbliebenen beiden Personen wusste Sally wenig –
sie waren für Wirtschaft und interne Angelegenheiten zuständig. Normalerweise
gehörten sechs Personen dem Vorstand an, doch der Kant'Takki war vor kurzem
zurück getreten. Gerüchte besagten, dass die Kant'Takki die Kooperation
mit » Holy Spirit Medics « komplett aufkündigen wollten,
was für das Unternehmen einen herben Schlag darstellen würde.
»Sicher. Es ist eine schlimme Sache. Nicht so sehr der Prozess, als vielmehr
das, was damals vorgefallen ist. Es steht außer Frage, dass Doktor Anande
die verbotenen Experimente durchgeführt und Ihr Konzern die Versuche unterbunden
hat.«
»Das ist korrekt. Wir verfolgen die Gerichtsverhandlung natürlich.
Vielleicht können Sie mir sagen, was der Grund für Ihren Besuch hier
ist?«
»Ich möchte Sie bitten, in dem Prozess eine aktivere Rolle einzunehmen.«
»Wir?« Sorojew wirkte aufrichtig verblüfft. »Wir haben leider
kaum Aktien in dieser Angelegenheit. Sicherlich ist Ulrich Self bei uns angestellt,
aber er hat diese Anklage aus eigenem Bestreben vorgebracht und handelt im Grunde
als Privatmann, obwohl wir ihm natürlich einige entsprechende Freiheiten
gegeben haben, immerhin ist der Konzern in die
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