Rettungskreuzer Ikarus Band 017 - Das Anande-Komplott
Angelegenheit verwickelt. Mein
Vorgänger, Herr Perusko, war über die damaligen Geschehnisse informiert,
hat sie aber niemals öffentlich gemacht. Das war seine persönliche
Entscheidung, und man kann sie kritisieren, aber der heutige Vorstand weiß
nichts von den Dingen, und deswegen hält sich der Konzern aus der Verhandlung
heraus. Nun, da die Sache publik gemacht wurde, ist Doktor Self der einzige,
der noch Informationen hat. Wir bereiten uns mehr darauf vor, den Imageschaden
abzufangen, den diese Aktion für den Konzern bringen wird.«
»Ich bezweifle das.«
»Wie bitte?«
»Ich bezweifle, dass Doktor Self seine Informationen aus erster Hand hat.
Seine Augenzeugenberichte aus dieser Zeit müssten sich eher auf die exotische
Fauna und Flora des Planeten – »sie warf einen Blick auf ein Datenpad,
obwohl sie natürlich alle Fakten auswendig kannte – »› Embols
Zuflucht‹ beziehen. Dort war er gerade mit seiner Expedition, als Anandes
Labor aufgelöst wurde.« Es war so still im Raum, dass Sally sich in
ihrer Vermutung bestätigt sah. Die Vorstandsmitglieder wussten, dass Self
log. Sorojew räusperte sich.
»Angenommen, Ihre Behauptung würde stimmen, so wäre das bedauerlich
im Hinblick auf Doktor Selfs Reputation«, begann er, und Sally unterbrach
ihn mit einer klareren Schlussfolgerung.
»Er hätte als Ankläger einen Meineid geleistet und sich strafbar
gemacht. Das allein ist genug, um den Prozess zu kippen – und sollte herauskommen,
dass Sie davon gewusst haben, dann wirft das ein schlechtes Licht auf den Konzern. Haben Sie davon gewusst? Oder sind wieder Daten aus Ihren Speichern verschwunden?«
Der Tonfall der hageren Frau war kalt und fast brutal, obwohl sie kaum die Stimme
erhob. Die Samthandschuhe waren fallen gelassen worden, weit schneller, als
Sorojew es erwartet hatte. Er schüttelte seine eigene Höflichkeit
ab wie einen hinderlichen Mantel.
»Selbst wenn Doktor Self gelogen hat, ist das in erster Linie sein Problem.
Der Konzern ist nicht für die einzelnen Taten seiner Angestellten verantwortlich.«
»So, wie auch bei Doktor Anande, nicht wahr? Und für die Taten von
Doktor Norton?« Der Vorsitzende wurde erst sehr bleich, dann zornesrot.
Er brauchte einen Moment, um seine Fassung zurück zu gewinnen.
»Anande hat auf eigene Initiative verbotene Experimente gemacht und ist
dafür entlassen worden. Der Konzern hat sich korrekt verhalten, und wir
haben keinen Grund, nicht zu dieser Entscheidung zu stehen.«
»Die Öffentlichkeit kann das anders sehen. Anandes Experimente gingen
über Monate, und keiner hat etwas bemerkt – das kann man als Vernachlässigung
der Aufsichtspflicht ansehen oder sich Gedanken über die allgemeine Firmenpolitik
machen, die solche Gewinnbestrebungen zu begünstigen scheint.«
»Wollen Sie uns erpressen und mit solchen vagen Anschuldigungen an die
Öffentlichkeit gehen? Lächerlich!«
Sally tat ihm den Gefallen und lachte selber. Es klang nicht amüsiert.
Eher bedrohlich.
»Nein, Herr Sorojew, mit solchen haltlosen Dingen würde ich nicht
die Medien belästigen. Vielleicht nicht einmal mit Doktor Selfs Betrug.
Sie verstehen nicht, worum es mir geht. Ich will nicht nur, dass der Prozess
durch ein paar neue Fakten eine andere Wendung nimmt oder eingestellt wird.
Ich will Doktor Anande von einigen Verleumdungen und falschen Verdächtigungen
reinwaschen, die nichts mit seinem eigenen Vergehen zu tun haben. Wie zum Beispiel
der Gedächtnislöschung. Sie sind gar nicht auf meine Frage nach Doktor
Norton eingegangen.«
»Ich habe von dem Mann gehört. Er hat hier einmal gearbeitet.«
Sorojew wirkte jetzt gelassener und hatte sich wieder unter Kontrolle. »Ich
kenne ihn kaum und habe nie direkt mit ihm gesprochen.«
»Aber ich.« Sally hob ihr Datenpad und aktivierte einen kleinen Holoprojektor.
Das Bild eines dürren, braungebrannten Mannes mit schlohweißem Haar
erschien vor ihr in der Luft.
»Guten Morgen, Sorojew!«, ertönte eine fröhliche Stimme
im Plauderton. »Hören Sie der Frau ruhig zu. Wir haben uns unterhalten.
Sie hatte ein paar Argumente, die ziemlichen Eindruck auf mich gemacht haben.
Also erzählte ich ihr einige Sachen. Ich habe das Gefühl, sie wird
bei Ihnen ebenso erfolgreich sein – sie kann eine sehr überzeugende
Art entwickeln!« Das Abbild des alten Mannes grinste wie ein Piranha. »Ich
glaube, ich mag das an ihr noch mehr, als es mich
Weitere Kostenlose Bücher