Rettungskreuzer Ikarus Band 023 - Flucht von Borsai
Verluste verlaufen, denn bis dahin
hatten sich die Sicherheitskräfte garantiert formiert. Die meisten Diener
würden nach einer Weile ihren Schreck überwunden haben und eventuell
zur Waffe greifen, um ihre Herren zu verteidigen.
Der Tulb zog sich zurück und eine ältere Frau nahm seinen Platz ein.
Sie war mittelgroß, sehnig und trug eine schwarze Klappe über ihrem
linken Auge. Eine winzige Perle am rechten Ohr war der einzige Schmuck, den
sie sich erlaubte. Früher mochte die Humanoide eine attraktive Brünette
gewesen sein; nun wirkte sie in sich zusammengefallen, verschrumpelt und verbittert.
Wer wäre das nicht, wenn ihn ein Unfall ein Auge gekostet hätte und
man von einer Transplantation absah, weil es nicht nur kostspielig sondern obendrein
uneffizient erschien, da die Lebenserwartung der Person zu diesem Zeitpunkt
schon nahezu abgelaufen war. Wer weiß, dachte Jason, welchen Preis sie
hatte zahlen müssen, wen oder was sie geopfert hatte, dass sie noch immer
nicht in die Roten Hallen gerufen worden war. Er erinnerte sich, dass sie ihm
als Asahi Drel vorgestellt worden war. Sie war Pilotin eines Schwertransporters.
»In jüngster Zeit haben wir einen regen Ein- und Ausreiseverkehr über
dem Erhabenen Kannya beobachtet«, berichtete Asahi Drel. »Seit acht
Tagen öffnet sich um Punkt acht Uhr dreißig Ortszeit eine Strukturlücke
an der Spitze der Kuppel, ein Boot der Angeli verlässt das Territorium
und kehrt exakt zwei Stunden später zurück. Es scheint, als suchen
die Angeli jemanden. Und dieser Jemand scheint verdammt wichtig für sie
zu sein, denn für einen Spazierflug oder etwas, das die Sicherheit erledigen
könnte, würden sie niemals ihr Territorium verlassen.«
Ein vielsagender Blick fiel auf Jason. Plötzlich hatte er das Gefühl,
als schlösse sich eine eisige Klaue um sein Herz und drücke zu. 8
Uhr 30 war es stets gewesen, wenn Shilla ihre Morgentoilette beendet hatte und
ihnen beiden Kaffee eingoss, damals, als sie noch in der Milchstraße und
an Bord der Celestine gewesen waren, als sie ihre kleine Welt noch für
einigermaßen heil gehalten hatten. Warum sollte sie nun ihre Gewohnheiten,
ihren Arbeitsrhythmus ändern, wenn es keinen triftigen Grund gab? War sie
gar unterwegs, um ihn zu finden? Und wenn ja, dann hatte sie gewiss nicht vor,
sich ihm freudig in die Arme zu werfen und mit ihm vor den Exekutoren zu fliehen.
Ohne das Owari wäre er vermutlich schon tot. Ob sie etwas in dieser Art
vorausgeahnt und ihm deshalb die Droge gegeben hatte? Zu seinem Schutz?
Seit er das Implantat besaß, hatte es keinen neuerlichen Kontakt mehr
gegeben. Jason traute dem Ding nicht recht. Es mochte ihm vielleicht bei den
Angeli und anderen Hilfsvölkern weiterhelfen, aber nicht bei Shilla. Oder
befand sie sich bereits so sehr in der Gewalt der Exekutoren, dass sie ihm aufgrund
des Senders glauben würde, er hätte die Seiten gewechselt? Das wäre
das Beste, was ihm geschehen konnte, aber das wagte er selbst in seinen optimistischsten
zwei Minuten nicht zu hoffen.
»Das Boot«, fuhr Asahi Drel fort, »kreist über Tukinohune,
dann fliegt es weiter. Es wurde an verschiedenen Orten gesichtet. Wir konnten
jedoch kein Muster feststellen, nach dem die jeweiligen Routen ausgewählt
werden.
Wenn das Angelischiff seine Flüge wie bisher fortsetzt, haben wir zwei
Stunden Zeit, die Sukina in Position zu bringen. Wir können Probleme
mit der Steuerung simulieren, die behoben sind, sobald sich der Schirm hinter
dem zurückkehrenden Angelischiff geschlossen hat. Dann drehen wir ab und
verfahren nach Plan. Anderenfalls hat sich die Sache erledigt und wir führen
unseren regulären Auftrag aus, als wäre nichts gewesen. Sinnlose Opfer
wird es jedenfalls keine geben. Die Person, die ins Reich der Angeli eindringt,
ist auf sich allein gestellt.
Sobald die Energieversorgung lahm gelegt wurde und das Kraftfeld zusammengebrochen
ist, landet die Sukina exakt drei Stunden später auf dem Raumhafen
des Erhabenen Kannya. Diese Zeit muss reichen, um weitere wichtige Anlagen zu
zerstören: Die Geschütze und die Datenbank. Bevor es den Leuten von
der Sicherheit und den Technikern möglich ist, eine Notstromversorgung
aufzubauen, müssen diese Einrichtungen zerstört sein. Nur so kann
unsere Flucht gelingen, anderenfalls schießt man uns ab oder koordiniert
umgehend eine Verfolgung.
Wer es innerhalb dieser drei
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