Rettungskreuzer Ikarus Band 024 - In den Gärten der Tomakk
Blumenbeet.
Fasziniert musterte Taisho die Blume, die noch immer das schrille Sirenengeheul
von sich gab. »So etwas habe ich ja noch nie gesehen«, rief er Jason
über das Heulen hinweg zu.
Dann fiel bei Jason der Groschen. »Die Pflanzen sind ein Computer.«
Taisho und Asahi sahen ihn verblüfft an. »Sind das jetzt wieder Nebenwirkungen
des Owari?«, stieß die Pilotin zwischen den Zähnen hervor. Ihr
war anzusehen, dass sie an starken Schmerzen litt.
Jason ging nicht auf die Provokation ein. »Wie sonst erklärt ihr euch
eine Blume, die wie eine Sirene heult? Das alles hier«, er machte eine
ausladende Geste, »gehört irgendwie zu den Sicherheitseinrichtungen
dieser ganzen Anlage. Und da ich keine Drähte oder etwas Ähnliches
sehe, kann es sich nur um so etwas wie einen organischen Computer handeln.«
Taisho kratzte sich am Kopf. »Wenn das hier ein Computer ist, wie bedient
man ihn dann? Ich sehe weder eine Tastatur noch einen Bildschirm.«
»Ihr spinnt ja, Jungs«, schnaubte Asahi. Mit schmerzverzerrtem Gesicht
ließ sich die Frau auf einem überdimensionalen Pilz nieder, der von
innen heraus zu leuchten schien, als ihr Gesäß ihn berührte.
Jason beachtete sie nicht. Ein Arrangement von blauen und roten Blütenknospen
hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Die Blumen sahen genau so aus wie diejenigen,
mit denen auf dem Wandgemälde in der anderen Kammer der blauhäutige
Außerirdische gekrönt worden war. »Kommen dir die Blumen da
auch so bekannt vor?«, fragte er Taisho.
»Nie gesehen«, erwiderte Taisho gereizt. »Hast du keine anderen
Sorgen? Wir müssen irgendetwas finden, mit dem wir uns verteidigen können.
Unsere Verfolger sind jeden Moment hier! Und meine Waffe liegt unter einem tonnenschweren
Steinquader.«
»Meine – meine Waffe –«, Asahi blickte sich suchend um.
»Mist. Die muss ich vorhin verloren haben.«
»Ich habe noch drei von meinen Wegwerfblastern. Die sind immerhin für
je einen Schuss gut«, bot Jason an.
»Na toll«, erwiderte Asahi spöttisch. »Das reicht noch nicht
einmal, damit wir vier uns alle selbst erschießen können, um nicht
den Exekutoren in die Hände zu fallen.«
Jason warf ihr einen giftigen Blick zu. »Ich hatte eigentlich vor, damit
auf unsere Verfolger zu schießen, aber wenn du unbedingt willst ...«
In der angespannten Situation bemerkte niemand, dass sich ein sonnengelber Blütenkelch
langsam zu Asahi herumgedreht hatte. Die tulpenförmige Blume öffnete
sich, und gerade als Asahi auf Jasons Bemerkung eine passende Antwort geben
wollte, schnellte der Stängel mit der Blüte vor und umschloss das
Gesicht der Pilotin mit einem schmatzenden Geräusch.
»Asahi!« Taisho und Jason sprangen ihr zu Hilfe und versuchten, die
Blume von Asahis Kopf zu entfernen.
Doch der Kelch war nicht zu bewegen.
Asahis Körper erschlaffte.
Potorr und Bossko bildeten die Vorhut. Mit entsicherten Gewehren und aufgepflanzten
Bajonetten pirschten sie behutsam den Korridor hinauf. Entgegen ihrer üblichen
Vorgehensweise bewegten sie sich mit äußerster Vorsicht. Sie hatten
nicht vergessen, was Dobrar widerfahren war. Keiner von den Drunar hatte Lust,
als feuchter Fleck unter einem tonnenschweren Granitblock sein Leben zu beenden.
Potorr kniete sich hin und zeigte auf einen roten Klecks auf dem Boden. »Blut«,
murmelte er.
Bossko lachte hämisch. »Blut!«, rief er Browker und den anderen
über die Schulter hinweg zu.
»Gewehr!« Potorr hielt einen Blasterkarabiner hoch, den die Gejagten
hier zurückgelassen hatten.
Ihre Jagdbeute war also bereits verletzt und unbewaffnet. Umso besser. Die Drunar
würden leichtes Spiel haben. Bossko sah sich schon triumphierend über
den zerschmetterten Körpern seiner Opfer stehen, mit einem blutverschmierten
Morgenstern in den Pranken, an dem Haare, Knochensplitter und Gewebereste klebten
...
Dann seufzte er.
Wie hieß noch mal das Fremdwort, das Browker benutzt hatte?
Gefangene.
Mist!
»Asahi!« Taisho war kreidebleich. »Kannst du uns hören?
Sag doch was!«
Jason zerrte noch immer wie ein Verrückter an dem Blumenstängel. Es
war zwecklos – die Pflanze machte keine Anstalten, von ihrem Opfer abzulassen.
Vermutlich handelte es sich um eine fleischfressende Pflanze, ähnlich den
tödlichen Exemplaren der hiesigen Flora, deren Bekanntschaft sie bereits
im Dschungel an der Oberfläche gemacht hatten.
Sollte er auf die Pflanze schießen?
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