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Rettungskreuzer Ikarus Band 030 - Held wider Willen

Rettungskreuzer Ikarus Band 030 - Held wider Willen

Titel: Rettungskreuzer Ikarus Band 030 - Held wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylke Brandt
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Soldaten wussten, wie man es bediente. Mit größter Vorsicht bewegten
die Armeeleute das Gerät durch die Halle in Richtung eines anderen Durchganges,
über dem verschnörkelte Goldbuchstaben das Wort »Labor«
bildeten.
    »Was meinst du, was das ist? Irgendeine Art von ... Desinfizierungsmaschine?«
    »Ich denke, ja. Bestimmt etwas, mit dem sie die Viren unschädlich
machen wollen, bevor diese aus der Anlage entkommen und über die Stadt
herfallen.«
    »Ah!« Ein starkes Gefühl der Erleichterung kam über Kentnok.
»Dann ist es gut. Ich habe großes Vertrauen zur Armee, weißt
du? Damals, als der große Chemieunfall die Säurewolken über
Schluttnick-Zentral ausbreitete, da haben sie der Crew der Ikarus enorm
zur Seite gestanden. Du kennst die Ikarus , oder? Es sind zwar keine Schluttnicks,
auch wenn es heißt, dass der Schiffsdirektor Paknak eng mit ihnen zusammenarbeitet,
aber ich habe trotzdem den höchsten Respekt ...«
    »Zu spät.«
    Kentnok erstarrte in seiner Plauderei. Zu spät? Hatte er sich in seiner
scheinbaren Vertrautheit mit Ruklei dazu hinreißen lassen, etwas unglaublich
Unakzeptables zu sagen?
    »Ich meine, es ist ja nicht so, dass ich die Ikarusleute einem Schluttnick
vorziehen würde«, begann er sofort, aber Ruklei legte ihm ihre weiche
Hand auf den Arm.
    »Nein. Schau.« Sie deutete aus dem Fenster in die Eingangshalle.
    Die Soldaten hatten ihren Desinfektor – oder was es auch sein mochte –
bis in die Mitte der Halle transportiert. Sie bildeten eine geschäftige
Traube um das Gerät und sahen in ihren Schutzanzügen aus wie Aliens,
die bei ihrer Invasion den Regierungssitz mit dem Industriegebiet verwechselt
hatten, aber zu beschäftigt waren, um das zu bemerken. Sie waren sogar
zu beschäftigt, um das zu sehen, was Ruklei entdeckt hatte: aus dem Durchgang
zum Labor stürmte ein Schluttnick in einem Laborkittel. Seine Augen waren
weit aufgerissen und er hatte beide Hände gehoben, als wollte er die Soldaten
aufhalten oder einen allerletzten Segen sprechen. Sein Mund öffnete sich
und Kentnok schob die Tür einen Spalt breit auf, um hören zu können,
was der Laborant sagen würde.
    »Zu spät!«, rief er, ein Echo von Rukleis prophetischen Worten.
»Kehrt um! Das letzte Schutzfeld ist gebrochen! Sie sind ...«
    »... hier«, ergänzte Kentnok düster, denn der Laborant kam
nicht mehr dazu. Aus dem Schatten des Durchganges hinter ihm fiel eine Wolke
über den Schluttnick her, ein grünlich schillerndes Ding, dessen Anblick
Grauen erweckte. Auf den ersten Blick wirkte es wie der Rauch der Ahnenfeuer
in den Tempeln, in denen Geld und Nahrungsmittel verbrannt wurden, um die Vorfahren
davon abzuhalten, sich in die laufenden Geschäfte der Lebenden einzumischen.
Aber dann sah Kentnok, dass die Wolke sich von selbst bewegte, in sich zu beben
und zu wogen schien. Und sie nutzte ihre Beweglichkeit sehr zielgerichtet. Ein
kurzes Aufbäumen, ein Sprung wie ein Raubtier, dann hüllte die Woge
aus Killerviren den armen Schluttnick ein, der sie dereinst gezüchtet,
gefüttert, gehegt und gepflegt hatte.
    Es gab dafür keine Dankbarkeit.
    Die Viren drangen durch die Atemwege in seinen Körper ein. Der Laborant
erstarrte und japste, dann wurde er plötzlich sehr still. Es dauerte drei
Herzschläge lang, in denen eine eisige, entsetzte Lähmung sich über
alle Leute in der Halle legte, dann schoss dem Mann das Blut ins Gesicht, so
dass er dunkelgrün wurde. Er öffnete den Mund wie zu einem letzten
Schrei, aber statt eines Lautes kam Blut zwischen den verzerrten Lippen hervor,
färbte das makellose Weiß des Kittels und rann in einem wahren Strom
zu Boden. Der Laborant blutete auch aus den Ohren und der Nase, als er zu Boden
stürzte, und war schon tot, ehe er aufschlug.
    Mit Grauen starrte Kentnok auf den Toten und schüttelte den Kopf. So was
züchteten die Labore hier mitten in der Hauptstadt? So was züchteten
sie überhaupt? Für einen Moment verspürte Kentnok eine irrationale
Sehnsucht nach seinem winzigen, hässlichen Büro in seiner Fabrik,
in der friedliche Schlutterware hergestellt wurde. Früher hatte er gedachte,
das eine oder andere Blumenmusterdesign wäre der ultimative Horror. Aber
jetzt, wo er den Angestellten der Besserleben reglos in dem See seines
eigenen Blutes liegen sah, wusste er es besser. Viel besser.
    Doch dies war weder der Ort noch die Zeit für solche Sentimentalitäten.

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