Rettungskreuzer Ikarus Band 031 - Das Projekt
»Erstens
werde ich vorsichtig sein, und zweitens bin ich ja sozusagen unter ständiger
medizinischer Beobachtung, so lange Sie da sind.«
Anande verschränkte die Arme vor der Brust.
» Das kann ich ändern.«
»So?«
»Wollen Sie es drauf ankommen lassen?«
Der Kassarier stieß ein heiseres Lachen aus. »Pfleger Behrendsen
hat mir schon einige Horrorgeschichten über die Ärzte von Vortex Outpost
erzählt.«
»Möchte ich wetten«, entgegnete Anande. »Machen Sie mal
bitte den Arm frei für die Infusion.«
Piirk-Kriiq tat, wie ihm geheißen, und der Arzt führte die Infusionsnadel
in die Armbeuge des Patienten ein. Wenigstens das funktioniert bei Kassariern
wie bei den meisten anderen Lebensformen, dachte Anande erleichtert.
»Darf ich Ihnen eine Frage stellen, Doktor?«
Anande klappte seinen Arztkoffer zu. »Sicher. Nur zu.«
»Wenn man Ihnen nicht erlauben wollte zu arbeiten, obwohl sie sich wieder
fit fühlen – wie würde es Ihnen gehen?«
Anande hielt mitten in der Bewegung inne. Man hatte in der Tat einmal versucht,
ihm seine Arbeit zu verbieten. Dabei hatte er doch immer nur seinen Patienten
helfen wollen. Er hatte sich in den Tagen der quälenden Gerichtsverhandlung
sehr elend gefühlt. Die Ungewissheit hatte an seinen Nerven gezehrt, und
das Gefühl, zur Untätigkeit verdammt zu sein, während irgendwo
seine Hilfe gebraucht wurde, war alles andere als schön gewesen.
Er seufzte schwer. »Schön, meinetwegen«, sagte er dann, »tun
Sie, was Sie nicht lassen können. Aber übernehmen Sie sich nicht.
Wenn Sie merken, dass Sie an Ihre Grenzen stoßen, dann treten Sie kürzer.
Davon geht die Welt nicht unter.«
»Die Welt gewiss nicht«, sagte Piirk-Kriiq leise, »aber vielleicht
der Rest unserer Galaxis.«
Doktor Hoorn führte Roderick Sentenza und Sally McLennane in den Haupttrakt
des Labors. Das Herz der unterirdischen Anlage lag hinter einer meterdicken
Panzertür, die mit mehreren computergesteuerten Sicherheitsschlössern
verriegelt war.
Einer von Doktor Hoorns Kollegen eilte ihnen entgegen, als sie eintraten. Sentenza
erkannte den korpulenten dunkelhäutigen Mann wieder; er hatte ihn auf dem
Gruppenbild von Wissenschaftlern gesehen, auf welches Sonja bei ihren Recherchen
über Piirk-Kriiq gestoßen war.
»Willkommen, Frau Direktorin. Guten Tag, Captain Sentenza. Ich bin Doktor
Shill Batner.«
Als Sentenza ihm die Hand reichte, hatte er das Gefühl, in einen feuchten
Schwamm zu greifen. »Sehr angenehm.«
»Doktor Batner ist derjenige, der das Triebwerk baut, welches wir Theoretiker
am Reißbrett geplant haben«, erklärte Patricia Hoorn.
In Sentenzas Kopf klickten zwei Puzzleteilchen ineinander. Natürlich! Shill
Batner war einer der renommiertesten Konstrukteure von Überlichtantrieben
im ganzen Multimperium. Es war nahe liegend, das man ihn ins Team geholt hatte,
um den Raumschiffantrieb für die beabsichtigte Zeitreise herzustellen.
»Eine sehr spannende Aufgabe«, schnaufte Batner und wischte sich mit
einem geblümten Taschentuch den Schweiß von der Stirn. »Ich
dachte eigentlich, ich hätte schon alles gesehen, was Hyperantriebe angeht,
aber das hier ...« Er deutete auf die Werkbank am anderen Ende des Raumes,
an der Cono und zwei der spinnenartigen Movatoren arbeiteten.
»Sie kriegen das schon hin, mein Guter«, sagte eine neue Stimme hinter
ihnen. Sentenza drehte sich um und erblickte eine Gestalt, die von einem metallenen
Stützkorsett aufrecht gehalten wurde. Obwohl die Stimme des Mannes noch
sehr jung klang, war sein Gesicht von tiefen Falten gezeichnet, und Altersflecken
bedeckten die pergamentdünne Haut seiner Hände. »Ah, Herr Professor!«
Doktor Hoorns Gesicht hellte sich auf. »Ich darf Sie mit Corpsdirektorin
Mrs. McLennane und mit Captain Sentenza von der Ikarus bekannt machen.
Frau Direktorin, Captain – das ist Professor Lartin Mandau, unser Experte
für Hyperraumnavigation.«
»Sehr erfreut«, sagte Sentenza.
»Ganz meinerseits.«
Der Professor bemerkte, dass Sentenza ihn verstohlen musterte, und lächelte
müde. »Bevor irgendwelche Gerüchte über mich in Umlauf kommen,
Captain, lassen Sie mich Ihnen eines sagen: karvinanische Progerie ist eine
dumme Krankheit.«
»Oh.« Sentenza schluckte. Karvinanische Progerie als eine ›dumme
Krankheit‹ zu bezeichnen, war eine krasse Untertreibung. Die meisten Karvinanier,
die unter dieser bizarren vorzeitigen Alterung
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