Rettungskreuzer Ikarus Band 037 - Nemesis
Blick auf den 3D-Kubus, der
gerade die 216. Folge von »Life without a clue« des bekannten Drehbuchautors
Gunt Arnzten zeigte. Die Serie wurde dadurch, dass sie jetzt bereits in der
17. Wiederholung gezeigt wurde, nicht besser.
»Wer guckt so'n Mist?«, stöhnte Sentenza.
»Wir.«
»Ich guck nicht hin.«
»Tust du doch.«
»Ist noch was zu trinken da?«
Sonja seufzte. »Hol's dir selbst.«
Sentenza erhob sich ächzend. »Also, Streng meinte, da wären noch
zwei kaiserliche Neffen, die beide einigermaßen brauchbare Menschen wären.
Aus einem ließe sich bestimmt ein akzeptabler Imperator schnitzen, so
dass die Nachfolge in jedem Falle geregelt sei.«
»Das ist beruhigend«, meinte Sonja und meinte das auch so. Eine ernsthafte
politische Auseinandersetzung im größten Sternenstaat der bekannten
Galaxis konnte niemand gebrauchen.
»Und sonst?«, hakte sie dann nach.
»Na ja, was schon? Die Allianz bröckelt bereits an allen Ecken und
Enden, jetzt, wo die große Gefahr beseitigt erscheint. Die Adlaten haben
nett ›Auf Wiedersehen‹ gesagt und ein Kooperationsabkommen mit dem
Raumcorps geschlossen, was sicher eine der positivsten Folgen des ganzen Durcheinanders
ist. Die Movatoren haben beschlossen, vorerst im Vortex-System zu bleiben und
werden sich politisch wohl auch ans Raumcorps anlehnen. Sally jedenfalls sah
alles in allem ganz glücklich aus.«
»Sally sieht immer glücklich aus, wenn sie an Macht gewinnen kann«,
meinte Sonja trocken und betrachtete kritisch ihren rechten großen Zeh.
Sie kratzte am Nagel.
»Das ist wohl so«, meinte ihr Ehemann und setzte sich wieder neben
sie. »Wen haben wir noch? Jason ist immer noch sauer auf Lear, der sich
aber in Luft aufgelöst hat. Thorpa hat sich zur Abfassung seiner Diplomarbeit
nach Pentak abgemeldet. Die Phönix II ist auf Kiel gelegt und wir
hören aus Pronth, dass man dort auch zwei neue Rettungskreuzer in Dienst
stellen will. Hellerman ist jedenfalls auch glücklich.«
»Überall glückliche Menschen«, kommentierte Sonja und knibbelte
etwas Hornhaut von ihrem Zeh.
»Fast überall«, schränkte Sentenza ein. »Ich habe nichts
mehr von Skyta und der Schwarzen Flamme gehört. Serbald wird wohl neuer
Erzprior und hörte sich das letzte Mal deswegen sehr angepisst an. Decorian
war sehr unglücklich, er hat sich nämlich selbst umgebracht. Asiano
schmort in einer Zelle. Botero ist spurlos verschwunden, vielleicht noch bei
den Outsidern, wer weiß das schon. Habe ich jemanden vergessen?«
»Shilla?«
»Zusammen mit Pakcheon in Richtung Vizia, wo auch immer das sein mag.«
Sonja gähnte hinter vorgehaltener Hand. Im 3D-Kubus beschwerte sich die
Ehefrau der Hauptperson von »Life without a clue« bei irgendwem über
irgendwas. Sonja hatte keine Ahnung, worum es da jetzt ging.
»An'ta bleibt an Bord?«, fragte sie dann doch.
»Vorerst ja. Das Raumcorps hat ihr die Schulden erlassen, aber der Rat
der Grey meinte, es wäre möglich, dass wir hier draußen noch
auf Outsider treffen, und da wäre es fein, wenn sie ihren Job machen dürfe.«
»Das hat dich sehr betrübt«, stellte Sonja mit einem lauernden
Unterton fest.
Sentenza kniff die Augen zusammen und erkämpfte sich einen absolut unschuldigen
Gesichtsausdruck. Jede Antwort musste jetzt ausgesprochen sorgfältig erwogen
werden. Es galt schließlich, einen weitgehend perfekten Abend nicht noch
durch eine unachtsame Äußerung zu gefährden.
»Sie ist sicher eine Bereicherung für die Mannschaft«, meinte
er mit neutralem Unterton.
»Vor allem ihre Titten, die sind sicher eine Bereicherung.«
»Ich bin zu alt für so was.«
Der Protest Sentenzas wirkte nicht sehr überzeugend, vor allem, da Sonja
sein Interesse an ihrem ausgeleierten Jogginganzug und dessen Schnitt durchaus
bemerkt hatte.
»Du lügst. Weenderveen ist älter und starrt immer noch auf nichts
anderes.«
»Das stimmt nicht.«
»Oh doch!«
»Nein, er steht mehr auf Hintern und schaut immer genau ...«
Sonja warf in gespielter Verzweiflung die Arme hoch.
Sentenza schob sich eine große Ladung Chips in den Mund. Beide sprachen
für einige Momente gar nichts. Sonja schaltete um. Eine Literatursendung
flimmerte über den Würfel. Das Möhl, ein Kollektivwesen von Wallen
II, war als scharfzüngiger Literaturkritiker bekannt und hielt mal wieder
einen seiner minutenlangen Monologe über ein Buch, das offenbar das Missfallen
des Möhls geweckt
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