Rettungskreuzer Ikarus Band 044 - Zusammenbruch
du vor?«, fragte Hirm’an Roots.
»Mit ihnen reden, was sonst?«
»Du bist verrückt! Von denen wird dir keiner zuhören.«
»Ich muss es versuchen. Oder sollen wir unsere Kinder erschießen?«
»Kid’der wird dich erschießen«, mischte sich nun auch Ber’tun Overlan ein. »Ich kenne ihn. Er war schon immer ein kleiner Mistkerl und nun ist er ein großer Mistkerl. Mit einer Waffe in der Hand wird er den dicken Max markieren. Schon um seine Kumpel zu beeindrucken.«
»Falls ihr eine bessere Idee habt«, sagte Aziell, »ich bin für jeden Vorschlag offen.«
Overlan und Roots wechselten einen hilflosen Blick.
»Dann solltet ihr mit den anderen verschwinden«, fuhr Aziell fort. »Einen einzelnen Mann werden sie kaum als Gegner betrachten. Drückt mir die Daumen.«
»Ich bleibe«, entgegnete Roots und legte einen handlichen Schocker auf den Tisch. »Damit kann ich Kid’der ausschalten. Ohne ihren Anführer werden die anderen es nicht wagen –«
»Weg mit dem Ding!« Aziell schob die Waffe zu Roots zurück. »Dadurch wird die Situation nur schlimmer. Der Kerl hat die Kinder, die ihn begleiten, gegen uns aufgehetzt. Wenden wir Gewalt an, werden sie erst recht glauben, dass seine Behauptungen – was auch immer er ihnen erzählt hat – zutreffen. Vielleicht beruhigen sie sich, wenn sie sehen, dass es hier nichts zu holen gibt. Lebensmittel haben sie ja schon. Ich frage mich, wohinter sie sonst noch her sein könnten. Jedenfalls dürfen wir sie nicht noch mit zusätzlichen Waffen ausstatten. Zu dumm, dass wir nicht daran gedacht haben, die leer stehenden Wohnungen nach Strahlern und Messern abzusuchen.«
»Dass Kid’der und die anderen Halbstarken durchdrehen würden, konnte keiner vorhersehen«, bemerkte Overlan. »Außerdem, wie hätten wir in den paar Tagen alles absichern sollen? Es gab Wichtigeres zu tun.«
»Geht jetzt«, drängte Aziell. »Sie sind gleich hier.«
»Viel Glück«, murmelte Roots.
Overlan nickte ihm knapp zu.
Aziell setzte sich an einen der Tische, den Blick auf den Eingang gerichtet.
Er hörte eilige Schritte und erregte Stimmen.
Stille.
Dann wurde die Tür aufgetreten.
Wäre die Lage nicht so prekär gewesen, hätte Aziell laut aufgelacht. Die Kinder benahmen sich wie die Agenten in einem schlechten Holo-Thriller: Ein dicklicher Junge lehnte am Türrahmen und richtete die entsicherte Waffe ins Innere der Kneipe. Er kniff die Augen zusammen, um im Dämmerlicht etwas erkennen zu können. Unvermittelt warf sich ein zweiter auf den Bauch und ließ die Mündung seines Strahlers wild von rechts nach links und wieder zurück wandern.
»Die Luft ist rein«, sagte der Dicke. »Nur ein alter Knacker ist da drin.«
Jetzt erst trat Kid’der, der wohl mit den anderen seitlich Position bezogen hatte, hervor. Im Türrahmen blieb er breitbeinig stehen, eine Hand lässig auf dem Griff einer Waffe, die in seinem Gürtel steckte. Er ließ den Blick durch den Raum schweifen, seine Augen blieben kurz an Aziell hängen, dann schaute er sich weiter nach Personen um, die sich möglicherweise verborgen hielten, und wandte sich schließlich, zufrieden, dass die Kneipe leer war, an den einzigen Anwesenden.
»Warum bist du nicht mit den anderen abgehauen, Alter?«
Aziell kannte Kid’der nicht persönlich, hatte jedoch einiges über ihn gehört. Seine Eltern hatten von jeher große Schwierigkeiten mit ihm gehabt. Bereits als kleines Kind hatte er Freude daran, Dinge kaputt zu machen und Tiere zu quälen und zu töten. In den Therapiestunden zeigte er sich reuig, machte dann jedoch weiter wie zuvor. Als er älter wurde, verlängerte sich die Liste seiner Missetaten um Diebstahl, Erpressung und Gewalttaten. Einige Male landete er vor dem Richter und wurde im Rahmen eines großzügig angelegten Therapieprogramms auf eine Farm geschickt und zu leichten Arbeiten herangezogen, doch auch diese Maßnahmen blieben erfolglos. Wäre er nur ein wenig älter, säße er bereits im Gefängnis.
Einige Kinder zeigten sich offenbar beeindruckt von Kid’ders Agenda oder hatten Angst, sein nächstes Opfer zu werden, sodass sie sich ihm angeschlossen hatten. Es wunderte Aziell, dass sich die Gruppe nicht gegen Kid’der verbündete. Allein hätte er kaum eine Chance gegen die Bande. Wie hielt er die Jüngeren bloß in Schach?
Das durch das Verschwinden fast aller Erwachsenen ausgelöste Chaos spielte ihm in die Hände: Die Kinder suchten jemanden, der ihnen sagte, was sie tun sollten, und Kid’der schien ihre
Weitere Kostenlose Bücher