Rettungskreuzer Ikarus Band 046 - Welt der Schlafenden
Das hieß aber auch, dass Decker hier nicht entlanggekommen war.
Nach gut zwei Kilometern wurde der Tunnel breiter und mündete in einer riesigen Höhle. Vor den staunenden Augen der Besucher breiteten sich verwilderte Felder aus, die von Bächen bewässert wurden. Neben gewaltigen, natürlichen Säulen, die das Gewölbe stützten, standen Erntefahrzeuge, die im Schatten der erstaunlichen Steingebilde wie Spielzeuge wirkten.
Inmitten dieser üppigen Gärten erhob sich eine kleine Stadt. Die quaderförmigen, schmucklosen Gebäude waren wie die Felswände von Flechten überzogen und schimmerten hellgrün.
Aber außer den Insekten gab es kein Leben. Reela Coys Bioscanner konnte nichts entdecken, und auch Pakcheons Gedankenfühler tasteten ins Leere.
»Wir werden die Stadt erforschen«, entschied Wenga, »um nichts zu übersehen.«
»Wäre es nicht möglich, dass die Tumanen ihre Welt aufgegeben haben?«, wiederholte Reela Coy Cornelius’ Überlegung.
»Durchaus, aber wenig wahrscheinlich.« Pakcheon wies auf das, was die Tumanen geschaffen hatten. »Warum hätten sie all das ohne triftigen Grund aufgeben sollen? Nichts deutet auf einen Kampf, auf eine Seuche, einen überhasteten Aufbruch oder etwas Ähnliches hin. Obwohl sich niemand um die Anlagen gekümmert hat, sieht man, dass alles ordentlich zurückgelassen wurde, damit die Tumanen nach dem Erwachen ihr Leben wie gewohnt weiterführen können. Ich bin davon überzeugt, dass sie hiergeblieben sind, aber was passiert ist …« Er machte eine hilflose Geste.
»Bestimmt finden wir Antworten auf unsere Fragen, wenn es uns gelingt, die Stasiskammern und vielleicht ein Archiv zu entdecken«, bemühte sich Cornelius, allen Mut zuzusprechen.
Kapitel 25
Ungehindert erreichten Cornelius, Pakcheon, Wenga und Reela Coy die Stadt. Die Gebäude, die eine Höhe von mehreren Hundert Metern erreichten, waren aus einer Mischung aus Naturgestein und künstlichen Verbundstoffen errichtet worden – vermutlich den Abfallprodukten, die bei der Ausschachtung der Tunnel und der Erweiterung der Höhle angefallen waren. Den Tumanen lag offensichtlich sehr viel daran, Eingriffe in die Natur klein zu halten und nichts zu verschwenden.
Welchem Zweck die verschiedenen Bauwerke dienten, ließ sich nicht erraten, da Wohnungen, Kaufhäuser, Fabriken und sonstige Gebäude von außen gleich aussahen. Streng geometrische Schriftzeichen mochten Auskunft geben, doch konnte keiner sie lesen. Auch Pakcheon brauchte Zeit, um fremde Sprachen zu erlernen. Die Türen und Fenster aller Häuser waren verschlossen und hätten sich bloß gewaltsam öffnen lassen, wovon Wenga im Moment noch absah. Er wollte nicht, dass fremdes Eigentum beschädigt wurde und man sie als Aggressoren einstufte, wenn es vielleicht noch andere Möglichkeiten gab, das Geheimnis um das Schicksal der Tumanen zu lüften.
Reela Coy deutete auf ein niedriges Gebäude, das sich im Zentrum befand und Aufmerksamkeit erregte, weil sich auf seinem Flachdach ein einzigartiges Gebilde befand, das an ein vom Wind aufgeblähtes Segel erinnerte. »Vielleicht ist das der Sitz des Regenten oder eines religiösen Anführers«, spekulierte die Ärztin. »Dort könnte es Aufzeichnungen geben über das, was hier passiert ist – was mit den Tumanen passiert ist.«
»Schauen wir uns das an«, stimmte Wenga zu.
Sie folgten den ebenmäßigen Straßen, die offenbar alle in Richtung des ungewöhnlichen Gebäudes strebten. Hin und wieder blieb Pakcheon stehen und musterte die Schriften, die er mithilfe seines Armbandgeräts teilweise schon entziffern konnte.
» Haus der grenzenlosen Freuden «, las er und überließ es den anderen, die Bezeichnung zu interpretieren. » Haus der Geselligkeit . Haus der Genüsse . Haus der …«
Schließlich erreichten sie das auffällige Gebäude, das ebenso von Flechten überwuchert war wie alle anderen Bauwerke. Fenster besaß es keine, dafür in regelmäßigen Abständen hohe, breite Portale im Sockel des Segels . Natürlich waren die Eingänge verschlossen.
» Haus der Zukunft .« Pakcheon blickte auf sein linkes Handgelenk und studierte die Werte, die das Gerät anzeigte. »Interessant. Das Segel …, nein, das ganze Gebäude ist mit einer Legierung überzogen, die elektromagnetische Wellen und andere Energieformen reflektiert. Und umgekehrt lässt es keine Emissionen nach außen. Ich kann nicht feststellen, ob sich die Tumanen vielleicht hier verborgen halten oder irgendwelche Maschinen in Betrieb
Weitere Kostenlose Bücher