Rettungskreuzer Ikarus Band 046 - Welt der Schlafenden
wahrscheinlicher, dass er eine Konfrontation vermeiden wollte, seinen Instinkten vertraute und auf eigene Faust nach einem Zugang suchte. Von dem Codegeber wusste er nichts – genauso wenig wie wir, bis Mr. Wenga ihn zum Einsatz brachte. Decker kann sonst wo sein und ist womöglich gerade damit beschäftigt, in eines der Häuser einzubrechen.«
»Und er verfügt über ein uns unbekanntes Equipment, das er gestohlen hat. Vielleicht schießt er sich den Weg frei – und aktiviert dadurch irgendwelche Mechanismen, die uns dann ebenfalls zu entfernen versuchen, oder gar dieses Schiff starten«, überlegte Wenga.
Reela Coy schauderte. »Eine unheimliche Vorstellung. Hoffentlich irren Sie sich.«
»Das hoffe ich auch«, murmelte Wenga. »Was bin ich froh, wenn wir diese Mission hinter uns haben. Ich habe auf einem Rettungskreuzer angeheuert. Das heißt, ich kümmere mich um die Maschinen, um Kranke und Verletzte. Vom Erst- oder Zweitkontakt mit mysteriösen Spezies und der Jagd nach einem mordlustigen Verrückten war im Vertrag nie die Rede.«
Kapitel 26
Pakcheon brauchte nicht lange, um das System der Lebenserhaltungsanlage zu verstehen. Es war, wie so vieles, was er bislang auf Tuman gesehen hatte, einfach und effizient. Hatten diese Wesen von der Hyperbombe frühzeitig erfahren und gehofft, von ihren Auswirkungen weitgehend verschont zu bleiben, wenn die Technologie auf einem einfachen, wenig anfälligen Level blieb?
Die Schläfer wurden von einer Maschine versorgt, die aus mehreren Komponenten bestand und über ein halbes Dutzend Generatoren verfügte, sodass kein Schaden entstand, wenn ein Gerät ausfiel, da die anderen die Versorgungsleistungen dann mit übernahmen. Die Energie wurde aus der Wärme bezogen, die im Innern des Planeten herrschte. Ferner gab es riesige Tanks mit einer nährstoffreichen Flüssigkeit, die, sobald der Weckmodus lief, intravenös verabreicht wurde. Einrichtungen für stimulierende Massagen, Klang- und Lichttherapien sollten helfen, die Tumanen auf sanfte Weise aus dem Schlaf zu holen.
Die Hauptsteuerung funktionierte automatisch, konnte aber auch manuell bedient werden. Sie schien nicht defekt zu sein, aber warum hatte sie die Schläfer dann nicht zur programmierten Zeit geweckt? Hätten sich die Tumanen tatsächlich für mehrere Jahrhunderte zurückziehen wollen – weder das Schiff noch die Stasiskammern waren für einen so langen Zeitraum konzipiert worden –, dann wären bestimmt Wächter eingesetzt worden: einige der ihren, die zwischendurch geweckt worden wären, die Einrichtungen überprüft und sich dann wieder zum Schlaf niedergelegt hätten. Dass das versäumt worden war, wies darauf hin, dass etwas schiefgegangen war.
Für Pakcheon klang es plausibel, dass die simple Technik die Große Stille oder einfach die Jahrhunderte nicht völlig unbeschadet überstanden hatte. Materialermüdung, Programmabweichungen und Ausfälle mochte auch erklären, warum keine Roboter und Sicherheitssysteme aktiv waren. Zudem durfte man annehmen, dass das Raumschiff nicht mehr flugtauglich war oder wenigstens eine umfassende Wartung vor dem Start benötigte.
Die Versorgung einiger Stasiskammern war schon vor Längerem ausgefallen oder arbeitete nicht mehr richtig – die blinkenden, roten oder erloschenen Lichter waren deprimierende Zeichen dafür, dass in den jeweiligen Behältern niemand mehr lebte oder mit großer Wahrscheinlichkeit nicht aufwachen würde. Nachdem Pakcheon die Anzeigen gründlich studiert hatte, wusste er, dass die Insassen von mehr als der Hälfte der Kammern tot sein mussten. Bedauerlich!
Aber selbst wenn Sally McLennane sich eher um die Bitte der Tumanen, deren Heimatwelt aufzusuchen, gekümmert hätte, wäre nichts anderes vorgefunden worden. In den übrigen Städten würde sich dasselbe Bild bieten. Hilfe wäre Generationen früher nötig gewesen, doch hatten die anderen Völker damals mit den Konsequenzen der Großen Stille zu kämpfen und mussten die Raumfahrt erst wieder entdecken. Und wer sich wie die Vizianer zurückgezogen hatte und verschont geblieben war, hatte von den Vorgängen in der Galaxis nichts mitbekommen.
Schließlich stellte Pakcheon fest, dass der Timer ausgefallen war und er die Anlage manuell bedienen musste.
Ihm war klar, dass bei der Einleitung des Weckprozesses eine Menge schiefgehen konnte. Zögerte er jedoch, verdammte er jene Tumanen, die noch am Leben waren, zum sicheren Tod. Allein in den Stunden, in denen er sich mit der Technik
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