Rettungskreuzer Ikarus Band 047 - Sudekas Traum
Provost lächelte schief. Wie man mit einem Stunnergewehr eine fleischfressende Pflanze in Schach halten sollte, war ihr nicht klar.
Sie verließ die Steuerkanzel, betrat den schmalen Mittelgang und unmittelbar darauf ihre Kabine. Provost entledigte sich der leichten Bordbekleidung und warf sie achtlos aufs Bett. Sie zog sich den Overall der silbernen Thermokombination an und schlüpfte in die schwarzen Stiefel, die sich am Schaft automatisch verschlossen. Dann streifte sie die Jacke über, die in einem dunklen Rot gehalten war. Sie trat wieder in den Mittelgang, öffnete die Ausrüstungskammer neben der Schleuse und entnahm den Vorratsfächern den bläulich schimmernden Multifunktionsscanner und mehrere Nahrungskonzentrate, die sie mit dem Scanner in die Jackentaschen stopfte und verschloss. Fünf Wasserflaschen lagen, bereits an einen Rückengurt befestigt, den Provost wie einen Rucksack tragen konnte, in einem weiteren Fach bereit, doch sie warf sich den Riemen über die linke Schulter. Die Flaschen schlugen gegen ihren Körper.
Die Sauerstoffmaske zog sie sich über den Kopf, legte sie aber nicht an. Die Maske verfügte nicht über einen Sauerstoffbehälter, sondern war darauf ausgelegt, die vorhandene Planetenatmosphäre anzusaugen und für den Träger zu verdichten. An ihre Unterarme klemmte sie flache, leistungsstarke Scheinwerfer.
Das klobige Stunnergewehr, das neben den Vorratsfächern stand, rührte Sudeka Provost nicht an. Sie schleppte bereits genügend Ausrüstung.
Provost warf die Tür des Schrankes zu, begab sich zum Innenschott der Schleuse und ließ sie mit einem Tastendruck auffahren. Sie trat in die Schleusenkammer und zerrte die Sauerstoffmaske über ihren Mund und ihre Nase. Mit einer Tastenkombination auf dem Display des Bedienfeldes der Kammer leitete sie den Druckausgleich ein. Sie hörte das leise, säuselnde Geräusch der Pumpen. In ihren Ohren knackte es, dann vernahm sie im linken Gehörgang einen hellen, hohen Ton, der rasch verklang.
Provost nahm den ersten, tiefen Atemzug durch die Sauerstoffmaske, bevor sie das Außenschott auffahren ließ.
Sudeka Provost blickte kurz auf Fagor IV hinaus, drehte sich um und stieg dann die kurze Leiter unter der Schleuse hinab. Der Sand knirschte unter ihren Stiefeln, als sie den Planeten betrat und sich umwandte.
Ihr fielen als Erstes die großen Pilze auf. Die Daten hatten Fotos geliefert, aber in natura waren diese gigantischen Gewächse natürlich um einiges beeindruckender. Es waren extrem widerstandsfähige Pflanzen, und sie dominierten die Flora dieser Welt. Möglicherweise enthielten sie interessante Gene, die für medizinische Zwecke genutzt werden konnten.
Sudeka zuckte mit den Schultern. Immer den potenziellen Profit im Kopf. Sie freute sich, dass all die Fährnisse diese zentrale Leidenschaft nicht beeinträchtigt hatten.
Der Eingang des Höhlensystems, das die Explorationsdroiden entdeckt hatten, lag etwa zweihundert Meter vor ihr. Provost holte den Multifunktionsscanner hervor, aktivierte ihn und rief die Koordinaten des Einganges auf. Aus den Aufnahmen des Berichtes wusste sie, dass es sich um kaum mehr als um ein Loch im Boden handelte, das sie in dieser eintönigen Landschaft nicht verfehlen wollte.
Provost studierte die Anzeigen auf dem Display, nickte befriedigt und setzte sich in Bewegung.
Die ersten Schritte führten sie aus dem Schatten der Solaria hinaus. Sie trat etwas stärker auf, als es nötig gewesen wäre, und wirbelte den körnigen, grauen Sand auf, der auf ihre Stiefel herabsank und diese mit einem stumpfen Überzug versah. Provost lächelte; es war eine infantile Anwandlung, die sie sich gestattete.
Der Schatten, den ihr Körper warf, schien ihr die Richtung zu weisen.
Als sie etwa die Hälfte des Weges zum Eingang des Höhlensystems zurückgelegt hatte, blieb Provost abrupt stehen. Wenige Meter rechts neben den Zugang erkannte sie eine schmale, schlanke und etwa mannshohe Gestalt, die sich langsam, wie auf einem Schienensystem, hin und her bewegte. Provost kniff die Augen zusammen. Die Dämmerung über diesem Teil von Fagor IV hatte eingesetzt und erschwerte es ihr, Einzelheiten zu erkennen.
Provost dachte kurz daran, in die Solaria zurückzukehren und morgen, kurz nach Sonnenaufgang einen neuen Anlauf zu unternehmen. Sie schüttelte den Kopf. Nein, damit würde sie nur Zeit verlieren. Außerdem war ihr bewusst, dass sie viel zu neugierig war, um umzukehren. Sie hätte sich auch feige gefühlt. Das wäre
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