Rettungskreuzer Ikarus Band 049 - Schritt vor dem Abgrund
lebte, benutzte das Büro offensichtlich nur für geheime Treffen und nicht zum Wohnen.
»Was liegt denn jetzt vor uns?«
Herr Taler konsultierte den Lageplan, den er sich in den Computer seines Anzugs geladen hatte und der auf das Innere des Visiers projiziert wurde. Von außen sah es nur so aus, als versuchten einige bunte Glühwürmchen, durch das Glas zu brechen.
»Mehr Büros. Lagerräume. Die zweite Besatzungsküche. Quartiere. Dann nichts mehr.«
Fräulein Miyazaki seufzte müde. »Also, dann.«
Sie hatten es nicht mehr weit. In dem Moment, in dem Sir Albert das Schott zur Küche öffnete, wussten sie, dass sie ihre Mitbewohner gefunden hatten.
Qualm kam ihnen entgegen, bläuliche Rauchschwaden, die endlich einen Weg aus dem Raum gefunden hatten. Zu einem großen Teil stammten sie von dem Inhalt einer Pfanne, der jeden Köhler stolz gemacht hätte, und zum anderen von der Zigarre des Mannes, der sich darüberbeugte.
»Das ist gut so, das muss richtig durch sein«, behauptete er und schnippte die Asche seines Stumpens geschickt in das benachbarte Waschbecken. »Bisschen Soße dazu, und es ist köstlich.«
»Kross, meinst du wohl«, warf eine Frau ein, die am Tisch saß und eine große Frucht mit einem noch größeren Messer in Stücke hieb.
»Krümelig«, erweitere eine zweite. »Vielleicht können wir die Asche mit der Soße verrühren?« Sie lehnte sich zurück, ein Glas mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit in der Hand.
»Gut gegen Durchfall. Die größte Kohletablette der Welt. Hey, Olva, haste Durchmarsch? Machste dir deine eigenen Medikamente?« Es störte den Mann nicht, dass er der Einzige war, der wiehernd über seinen Witz lachte.
Die vierte Person am Tisch, die ein Lesegerät hielt, hob nicht einmal den Kopf. »Wir haben Besuch«, sagte sie nur.
Alle hielten inne, verstummten und wandten sich synchron zur offenen Tür.
Sir Albert, plötzlich im Zentrum ihrer Aufmerksamkeit, nickte höflich. Höflich passte immer.
»Guten Abend. Wie geht es Ihnen? Dürfen wir eintreten?«
»Heilige Scheiße, wo kommen die denn her?«
Fast immer.
Indigniert dachte Sir Albert an Rückzug, als die Frau mit dem Messer sich erhob, trotz der Bewaffnung offensichtlich erfreut.
»Aber natürlich, kommen Sie! Wir machen gerade was zu essen. Vielleicht wollen Sie was …« Sie hielt inne und warf einen kritischen Blick auf die qualmende Pfanne. »Na ja, vermutlich eher nicht. Was zu trinken vielleicht?«
»Das dürfte schwierig werden«, warf die Person hinter dem Lesegerät ein. »Schutzanzüge, Mimke.«
»Oh, ja. Wie essen Sie denn dann was?«
»Wir gehen in unsere Kabinen. Bis auf Herrn Taler, natürlich.«
Fräulein Miyazaki trat hinter Sir Albert in die Küche und stellte mit einer Geste den Raumanzug vor, der ihnen vorsichtig folgte. Erst als klar wurde, dass er von den fünf Leuten mit neugierigen, ja, amüsierten Blicken bedacht wurde, sie aber keine Anstalten machten, ihn aus seinem Anzug zu schälen, schien er sich zu entspannen.
»So sind sie also der Infektion entkommen. Sie haben sich eingedost«, stellte die Frau mit dem Trinkglas fest und schenkte sich nach – mit, wie Sir Albert erstaunt feststellte, einem ziemlich alten und exklusiven Cognac, den sie trank, als wäre es Limonade.
Sie prostete ihm zu und grinste, als sie seinen Blick bemerkte.
»Ja, gewissermaßen.« Fräulein Miyazaki nickte und setzte sich auf einen der freien Stühle, offenbar erschöpft von ihrer Wanderung durch das Schiff. »Und Sie?«
Olva am Herd lachte. »Ist das nicht offensichtlich?« Er hob den Pfannenwender und tippte sich damit gegen den Kopf. »Das Weiße hier oben ist kein Mehl, junge Dame. Wir sind zu alt. Das Virus wollte uns nicht mehr.«
»Ja, keine Wanderlust mit fortgeschrittener Arthrose in den Gelenken«, witzelte der Mann am Tisch und knackte vielsagend mit den Händen. »Endlich mal ein Vorteil an dieser Krux mit dem langsamen Zerfallen. Wir können hier rumspazieren und tief durchatmen.«
»Gehörten … gehören Sie zur Besatzung?«, erkundigte sich Sir Albert und wartete darauf, dass man auch ihm einen Platz anbot, obwohl er befürchtete, dass er da zu viel verlangte.
»Nope, Passagiere. Dritte Klasse, zweite und erste. Alles da.«
»Und es sind nur sie fünf?«
Er konnte nicht verhindern, dass er etwas enttäuscht war. Sicher, es war unsinnig gewesen, eine
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