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Rettungslos

Titel: Rettungslos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: van der Vlugt Simone
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verstanden, Gott! Sprich mit mir! Ich tue alles, was du willst. Wenn du mich aus dem Koma erwachen lässt, mache ich in Zukunft alles richtig. Das verspreche ich hoch und heilig. Bitte, bitte, lass mich aufwachen …

14
    Der entflohene Häftling Mick Kreuger wurde noch nicht gefunden. Er konnte gestern Morgen bei einem begleiteten Freigang entkommen. Trotz einer Fahndungsmeldung im Fernsehen und erhöhtem Polizeiaufgebot hat man noch keine Spur von ihm entdeckt. Mittlerweile gilt als sicher, dass er auf der Flucht einen Mord begangen hat. Am frühen Montagmorgen wurde ein fünfundzwanzigjähriger Mann an der Kasse einer Tankstelle umgebracht. Eine Überwachungskamera hat aufgezeichnet, wie Kreuger den Mann erschlug und die Kasse ausraubte. Mick Kreuger befand sich zur Behandlung in einer psychiatrischen Fachklinik und konnte sich in einem individuell abgestimmten Rahmen frei bewegen. Der Justizminister hat das Parlament aufgefordert, vorerst sämtliche Freigänge zu untersagen und eine Überprüfung der Sicherheitsvorkehrungen zu veranlassen.
    Â 
    Sämtliche Nachrichtensendungen beginnen mit Kreugers Flucht. Darauf folgen diverse Gesprächsrunden,
in denen darüber diskutiert wird, wie Kreuger entkommen konnte.
    Offenbar kümmert es ihn nicht, dass Lisa und Anouk die Berichterstattung verfolgen. Scheinbar ungerührt sitzt er auf der Sesselkante, aber Lisa ist klar, dass er jede ihrer Bewegungen registriert.
    Anouk ist vom Husten völlig erschöpft und lehnt sich an sie. Sie scheint die prekäre Situation, in der sie sich befinden, gar nicht mehr wahrzunehmen.
    Â»Ich will ins Bett, Mama«, murmelt sie mit geschlossenen Augen.
    Nach kurzem Zögern fragt Lisa Kreuger, ob sie ihre Tochter ins Bett bringen darf.
    Langsam wendet er ihr das Gesicht zu. Er wirkt abwesend, als sei er aus einer anderen Welt zurückgekehrt und müsse sich nun langsam wieder in der Wirklichkeit zurechtfinden.
    Mehrmals fährt er sich mit den Händen übers Gesicht, dann murmelt er eine Zustimmung.
    Lisa fällt ein Stein vom Herzen. Sie will Anouk heute Nacht bei sich im Bett schlafen lassen und hofft, dass sie sich hinter der geschlossenen Tür der bedrohlichen, unheilschwangeren Atmosphäre ein wenig entziehen und zur Ruhe kommen können. Kreuger wird sich vermutlich aufs Sofa legen, auf jedes Geräusch im Haus achten und die ganze Nacht den Fernseher anlassen.
    Lisa steht auf, aber Kreuger hält sie zurück.
    Â»Ihr schlaft heute Nacht im Keller.«
    Sie ist völlig verdattert. »Im Keller!?«
    Ohne einen weiteren Kommentar wendet er sich wieder dem Bildschirm zu.

    Â»Aber … aber im Keller ist es viel zu feucht für Anouk. Und das Licht funktioniert nicht, man sieht dort die Hand vor Augen nicht.«
    Â»Du kannst ja Matratzen und Bettzeug runtertragen«, bescheidet Kreuger ihr barsch.
    Unschlüssig steht Lisa da. Was soll sie tun? Anouk in dem dunklen Raum allein zu lassen, kommt nicht infrage, also muss sie mit in den Keller. Dabei ist es erst kurz nach neun.
    Â»Sie kann ja noch ein Weilchen auf dem Sofa schlafen«, meint sie zögerlich.
    Â»Wie du willst.« Kreuger wirkt wieder abwesend.
    Â»Ich muss nicht in den Keller, Mama, oder? Ich will da nicht rein!« Mit großen Augen sieht Anouk ihre Mutter an.
    Auf keinen Fall darf sie das Mädchen weiter ängstigen. Mit ein bisschen Glück schläft es hier auf dem Sofa ein.
    Â»Nein, du schläfst hier. Ich hole noch ein Kissen, dann schlüpfst du unter die Decke und machst es dir bequem, einverstanden?«
    Anouk bleibt misstrauisch. »Du sollst nicht weggehen!«
    Â»Aber nein, ich gehe nicht weg. Ich bleibe bei dir, die ganze Nacht.«
    Anouks Blick fällt auf Kreuger, dann sieht sie ihre Mutter fragend an.
    Â»Der Mann bleibt auch noch eine Weile hier.« Zu Lisas Verwunderung klingt ihre Stimme fest und ganz normal.
    Â»Hat er kein Zuhause?« Anouk gähnt ungeniert.

    Rasch beugt Lisa sich über ihre Tochter und küsst deren Wange.
    Â»Pssst, schlaf jetzt. Mach die Äuglein zu. Gute Nacht, mein Schatz …«
    Â»Mein Lied …«
    Lisa setzt sich wieder hin und stimmt mit zittriger Stimme das gewohnte Schlaflied an, aber Kreuger fährt ihr unwirsch über den Mund.
    Â»Halt endlich den Schnabel! Ich will in Ruhe fernsehen!«
    Danach fällt kein Wort mehr.
    Lisa spürt deutlich die Anspannung in Anouks Körper. Sie lächelt ihrer

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