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Rettungslos

Titel: Rettungslos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: van der Vlugt Simone
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Tochter beruhigend zu, formt mit den Lippen das Lied bis zum Ende, und Anouk tut es ihr nach.
    Â»Ich hab dich lieb«, flüstert Lisa ihrer Tochter ins Ohr, als sie sie an sich drückt und ihr einen Gutenachtkuss gibt.
    Â 
    Stunden später wird Lisa wach, weil eine Hand sie grob an der Schulter rüttelt.
    Â»Bettzeit«, sagt eine Stimme über ihr.
    Mit einem Ruck fährt sie hoch. Ihre rechte Körperseite ist vom verkrümmten Liegen auf dem Sofa völlig verkrampft, den restlichen Platz nimmt Anouk in Beschlag, die kleine Schnarchlaute von sich gibt.
    Â»Mach schon!« Ungeduldig zerrt Kreuger an ihrem Arm, und Lisa, nun hellwach, steht rasch auf.
    Â»Müssen wir unbedingt in den Keller?«
    Â»Du hast zehn Minuten Zeit, Matratzen und Bettzeug runterzutragen. Ich bleibe so lange bei ihr.«

    Mit einer knappen Geste bedeutet er ihr, sich zu beeilen.
    Noch leicht taumelig vom schnellen Aufstehen, geht sie die Treppe hinauf und nimmt wie in Trance Laken und Bezüge aus dem Wäscheschrank. Die Matratze des Doppelbetts in ihrem Zimmer kann sie nicht allein schleppen, also holt sie Anouks Matratze aus dem Bett und stößt sie die Treppe hinunter. Eine zweite Matratze aus dem Gästezimmer folgt. Mit Bettzeug, Wäsche und ihren Schlafanzügen auf dem Arm geht sie nach unten und schafft es tatsächlich, binnen zehn Minuten alles in den dunklen, feuchten Keller zu verfrachten.
    Sie nimmt Anouk auf den Arm und trägt sie mühsam die schmale Treppe hinab. Kreuger lässt sie nicht aus den Augen. Während Lisa unten die Betten herrichtet, steht er in der Kellertür.
    Â»Hast du das Asthmaspray? Gut, dann lasse ich euch morgen früh wieder raus.«
    Noch bevor Lisa etwas erwidern kann, fällt die Tür zu, und sie befindet sich in völliger Dunkelheit. Das defekte Kellerlicht steht schon eine ganze Weile auf ihrer Liste der zu erledigenden Arbeiten …
    Der Schlüssel dreht sich im Schloss. Mutlos setzt Lisa sich auf eine Matratze. Anouk wacht auf, schläft aber nach ein paar beschwichtigenden Worten gleich wieder ein.
    Ein Glück. Sie würde durchdrehen, wenn sie gemerkt hätte, dass sie hier im Finstern eingesperrt sind.
    Aus dem Keller zu fliehen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Hoch über Lisa zeichnet sich ein Fenster ab, ist aber so schmal, dass sie nicht einmal den Kopf hindurchstecken
könnte. Es lässt zwar etwas Licht ein, aber da es an der Hausrückseite keine Straßenbeleuchtung gibt, hilft das wenig.
    Ich sollte mich auch lieber hinlegen, denkt Lisa. Sie braucht ihren Schlaf dringend – wer weiß, was der nächste Tag bringt.
    Die Polizei, denkt sie verzweifelt, hoffentlich kommt bald die Polizei!
    Sie tastet nach ihrem Schlafanzug und zieht sich um, dann schlüpft sie unter die Decke und legt den Arm um Anouk.
    Oben hört sie Wasser rauschen, das wenig später durch die Abflussrohre im Keller gurgelt. Kreuger duscht.
    Mit einem Seufzer dreht Lisa sich auf den Rücken und lauscht den Geräuschen. Die Toilettenspülung wird gezogen, dann hört sie Schritte im oberen Flur. Dem Quietschen nach zu urteilen, öffnet Kreuger Schranktüren. Wenig später wird es ruhig, und sie hört das Knacken des Betts. Ihres Betts.

15
    Der Keller war Mennos Reich gewesen. Er hatte dort Regale aufgestellt und sie mit allerlei Krempel gefüllt, den Lisa am liebsten weggeworfen hätte, von dem er sich aber nicht trennen mochte. Altes, rostiges Werkzeug, defekte Elektrogeräte, die er irgendwann reparieren wollte, Schuhkartons voller Flaschenkorken, Verschlussdrähte für Müllsäcke oder leerer Batterien … Menno bewahrte wirklich alles auf. In der Garage hatte er größere Gegenstände wie kaputte Gartenmöbel deponiert, außerdem Fliesen verschiedenster Größen und Farben, die man – wie er meinte – irgendwann sicherlich noch brauchen könne.
    Nach der Trennung hatte Lisa alles zum Sperrmüll gestellt – eine Befreiung in mehrfacher Hinsicht. Seit Menno und kurz darauf all sein Gerümpel verschwunden waren, hatte sie das Gefühl, endlich wieder Platz zu haben, gleichzeitig empfand sie eine beklemmende Leere.
    Lisa weiß genau, was noch im Keller liegt, und auch,
dass ihr nichts davon nutzen wird. Der einst vollgestopfte Raum ist annähernd leer und stellt somit ein ideales Gefängnis dar. Bevor sie ihn ausräumte, hätten unmöglich zwei Matratzen darin

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