Rettungslos
ausschlieÃlich im Haus ab. Im Nachhinein wurde mir klar, dass das durchaus in seinem Sinn war: Endlich hatte er mich ganz für sich allein.«
Sie erzählt von ihren mühsamen Versuchen, aus der Isolation herauszukommen. Menno habe nicht gewollt, dass sie einen Psychologen aufsuchte. Warum sollte sie ihre Gedanken und Gefühle einem Fremden anvertrauen, wo er doch täglich für sie da war? Kränkend fand er das und völlig überflüssig. AuÃerdem hätten sie gar nicht das Geld dafür.
So blieb er ihr einziger Halt in einem Meer der Depression, in dem sie immer weiter versank. Erst als sie sich in Internetforen mit anderen Betroffenen austauschte und Antidepressiva bestellte, wendete sich das Blatt, und allmählich zeichnete sich eine Besserung ab. Irgendwann hatte sie wieder einen Blick für die Welt um sie herum ⦠und entdeckte, dass Menno ein Doppelleben führte.
»Er ging fremd«, sagt Kreuger.
»Nicht nur das, er hatte sogar zwei Söhne mit der anderen Frau.« Lisas Stimme klingt matt. »Als ich sagte, ich wolle mich scheiden lassen, war er auÃer sich und drohte, mir Anouk wegzunehmen. Das wäre auch nicht weiter schwierig gewesen, denn er hatte heimlich meine Forenmails ausgedruckt und sämtliche Rechnungen für die Antidepressiva an sich genommen. Ich stand Todesängste aus, dass man ihm das Sorgerecht geben würde.«
»Aber das hat nicht geklappt. Kein Wunder, Kinder werden doch immer der Mutter zugesprochen.« In Kreugers Stimme schwingt ein aggressiver Unterton mit.
»Nicht immer.« Lisa führt die Tasse zum Mund und nimmt einen Schluck Kaffee. »AuÃerdem hat Menno das Gericht gar nicht erst bemüht. Er hat mir Anouk überlassen, sang- und klanglos. Im Grunde hat er uns beide einfach fallenlassen.«
13
Nie ist es ganz still im Krankenhaus. Tagsüber rattern die Essenskarren, reden die Schwestern auf dem Flur miteinander, und sind Geräusche von drauÃen, vermutlich vom Parkplatz, zu hören. Als Senta sich ihrer Umgebung wieder bewusst wird, ist es schon spät am Abend. Das schlieÃt sie daraus, dass es auf dem Flur ruhig geworden ist und aus dem Schnarchen im Krankenzimmer nebenan.
Plötzlich ist da noch etwas: leise Atemzüge. Sie ist nicht allein. Jemand sitzt an ihrem Bett. Senta hat keine Ahnung, wer, und der Besucher sagt kein Wort. Er beugt sich zu ihr, eine Hand fährt über ihr Gesicht, streichelt ihre Wange.
Sekundenlang ist es vollkommen still, dann steht er auf. Der Vorhang um ihr Bett raschelt, und Senta hört Schritte, die sich entfernen.
Mit pochendem Herzen liegt sie da. Diese Atemzüge, die festen Schritte beim Verlassen des Zimmers, der intensive Geruch nach Pfefferminzkaugummi â¦
Ja, er war es! Freek hat die ganze Zeit an ihrem Bett gesessen, und sie hat nichts davon gemerkt.
Komm wieder, komm wieder!, schreit es in ihr. Rede mit mir, lies mir vor, erzähl mir was!
Die Schritte verlieren sich im Flur. Wieder ist sie mit ihren Gedanken und Erinnerungen allein.
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Sie wollte schon immer Journalistin werden. Am liebsten bei einer groÃen, angesehenen Tageszeitung, doch als sie eine Stelle als Redakteurin ergattert hatte, schien ihr der Zeitschriftenbereich verlockender. Ohne zu zögern, wagte sie den Wechsel und hat es noch keinen Tag bereut. Eine Beförderung folgte auf die andere, und noch vor ihrem vierzigsten Geburtstag war sie Chefredakteurin einer der auflagenstärksten Frauenzeitschriften.
Gute Interviews zu machen, ist eine Kunst für sich. Fragen stellen kann jeder, aber ein wirklich gutes Gespräch in Gang bringen? Viele Journalisten machen den Fehler, dabei selbst zu viel zu reden, obwohl es in erster Linie um Einfühlungsvermögen geht.
Genauso war es auch bei dem Schriftsteller Alexander Riskens. Ein Mann, der höchst selten Interviews gibt und ein eher zurückgezogenes Leben führt. Es war alles andere als einfach, ihn zu einer Zusage zu bewegen, aber sie hatte es geschafft.
Alexander Riskens erwies sich als freundlicher Mann, der allerdings ungern über sich selbst redete, sodass das Gespräch nur mühsam in Gang kam. Eine gute Dreiviertelstunde dauerte es, bis er einigermaÃen aufgetaut war und Senta von Standardthemen zu tiefschürfenderen Fragen übergehen konnte.
Sie respektierte seine Tabus â den Tod seiner Frau und seiner Tochter brachte sie nur in einem Nebensatz zur Sprache -, mied
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