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Revelations

Revelations

Titel: Revelations Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Fischer
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sie im schwachen Mondlicht für eine prall gefüllte Mülltüte oder eins der überall herumliegenden Autoteile halten. Verlor sie jedoch die Nerven, und würde versuchen, sich bei ihrem Bruder in Sicherheit zu bringen, wären die zwei vorsichtig herangeschlichenen Kilometer für die Katz gewesen. Angel holte mit sehr langsamen Bewegungen ihr schweres Scharfschützengewehr hervor und legte auf die beiden Männer an. Aufgrund des andauernden Erdbebens bestand nicht der Hauch einer Chance, die Sicarii auszuschalten, bevor sie Alarm auslösen konnten, aber ein paar Schüsse dürften genügen, um zumindest ihre eigene Flucht zu ermöglichen.
    Auf einmal hörte das unheimliche Geschaukel so abrupt auf, wie es begonnen hatte. Angel behielt die Patrouille genau im Auge. Nur eine verdächtige Bewegung, ein Fingerzeig in ihre Richtung, und sie hätte beiden eine Kugel mitten durch die Brust gejagt. Zu ihrem Glück schienen sie lediglich über die Naturgewalt zu lachen und ihre scharlachroten Militärbaretts zurechtzurücken, die ihnen bei dem Erdbeben vom Kopf gerutscht waren, ehe sie ihren Weg fortsetzten.
    »Wieso haben die mich nicht bemerkt?«, flüsterte Cassidy, die sich schleunigst neben Caiden in Sicherheit gebracht hatte. »Ich stand doch völlig frei!«
    »Der Mensch ist ein Bewegungsseher«, erklärte Angel erleichtert und verstaute das Präzisionsgewehr wieder in ihrer Ledertasche. »Wenn du still stehenbleibst und dich wie der Hintergrund verhältst, werden dich ungeübte Beobachter häufig übersehen.«
    Nachdem die Patrouille endgültig zwischen den Wohnblöcken verschwunden war, führte Angel ihr kleines Team schnellstmöglich zu den Abwasserrohren. Im ersten Moment stellte sie enttäuscht fest, dass die Sicarii die Nordseite ebenfalls mit Müll und Schutt verstopft hatten, bis ihr eine mannshohe Betonröhre auffiel, die mit einem massiven Stahlgitter verschlossen war. Noch vor einer Woche hätte sich dieser Zugang wohl als unpassierbar herausgestellt, doch die Erdbeben hatten das Gitter im Fundament so stark gelockert, dass es sich ohne große Kraftanstrengung herausreißen ließ.
    Im Inneren des jahrhundertealten Kanalisationssystems gab es weder brauchbare Hinweisschilder noch Orientierungspunkte, weswegen Angel ausschließlich ihrem Kompass folgen konnte. Angewidert stieg das ungleiche Kommandoteam über menschliche und tierische Überreste zugleich. Brackwood schien von der Welle der Anarchie während des globalen Untergangs nicht verschont geblieben zu sein. Die weitläufigen Tunnel waren schnell zum Schauplatz blutiger Gefechte zwischen perspektivlosen Jugendgangs geworden, bei denen keine Seite als Sieger hervorgegangen war. Mit Kreide an die Wände gemalte Markierungen warnten vor fremden Hoheitsgebieten, die keinerlei Bedeutung mehr hatten, aber zumindest vom Versuch der Ordnung zeugten. Vermutlich wählten die Sicarii Brackwood als Stützpunkt, weil die ehemaligen Gangs schon lange vor ihnen für einen gewissen Grad an Befestigungsanlagen gesorgt und die Stadt frei von Scavengern gehalten hatten.
    Angels Orientierungssinn zufolge sollten sie sich nach einer halben Stunde kurz vor dem Stützpunktzentrum befinden. Sie suchte sich einen Abwasserschacht, der breit genug war, um mitsamt dem Gepäck hinaufzusteigen. Sorgfältig überprüfte sie die Lage mit Hilfe ihres zusammenklappbaren Schminkspiegels. Direkt neben dem massiven Gullideckel türmte sich ein hoher Berg aus Kleidung und Schuhen auf. Lederjacken mit Gangsymbolen vermischten sich mit Kinderschuhen, flickenübersäten Rangeruniformen, nietenbeschlagenen Armbinden und gewöhnlicher Unterwäsche. Hier waren sie richtig. Doch kaum wollte Angel den schweren Eisendeckel von dem Abwasserschacht wuchten, hörte sie sich nähernde Schritte. Sofort zog sie ihre Hände zurück und deutete den Geschwistern mit ihrem Zeigefinger auf den Lippen, absolut still zu sein. Die beiden hockten sich lautlos an die zerbröckelte Tunnelwand und lauschten mit Angel den Wortfetzen, die von dem Gehweg über ihnen hinunterschallten. Zumindest bestätigte die Ruhe, mit der die Sicarii ihre Patrouille durchführten, dass sie noch nicht entdeckt worden waren.
    »Sollten wir nicht allmählich abgelöst werden?«, fragte eine jung und unerfahren klingende Stimme.
    »Jetzt mach mal halblang«, konterte sein gelangweilter Kamerad. »Die Nacht hat grade erst begonnen. Ich hab dir doch gesagt, du sollst beim Schweinebraten richtig zulangen!«
    »Was ist eigentlich mit dem

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