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Revelations

Revelations

Titel: Revelations Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Fischer
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wenn der Effekt nur temporär war und eher als Ritual diente. Wie schon an den Tagen zuvor redeten sie kaum miteinander. Jeder kämpfte mit seinen eigenen Dämonen, die in Brackwood auf sie warten würden.
    Cassidy überprüfte ihre Ausrüstung mindestens vier Mal, um keinesfalls wieder in Gefangenschaft zu geraten. Ihr älterer Bruder strich sich nachdenklich über die tiefe Narbe seines linken Auges, die ihn beinahe mehr als alles andere an Faith erinnerte - und dazu unaufhörlich juckte. Die einzige Ausnahme war ihr zauberhaftes Panflötenspiel, das selbst den barbarischen Eric und seine Bande von masochistischen Vultures becircen konnte. Wann immer sie eines ihrer äußerst seltenen Konzerte gegeben hatte, war es in der Festung still geworden. Andächtig setzten sich die Mörder und Vergewaltiger um das Lagerfeuer und lauschten gemeinsam mit ihren Sklaven den melancholischen Tönen aus dem unscheinbaren Holzinstrument. Caiden war überzeugt, dass Faith ihre Panflöte als eine ihrer tödlichsten Waffen betrachtete. Während des Spielens wirkte sie unglaublich zerbrechlich, so dass sich selbst der ruchloseste Widersacher einen Moment der Schwäche erlauben würde, den sie im richtigen Augenblick auszunutzen wüsste.
    Angel versuchte ihre Rache an den Sicarii zu planen, um sich von der mehr als unwahrscheinlichen Hoffnung abzulenken, Dog lebendig wiederzusehen. Noch einmal prüfte sie Victors Sprengladungen, die im unverdienten Ruf standen, entweder zu früh oder gar nicht zu detonieren. Schadenfroh erinnerte sie sich daran, dass sie größtenteils für diesen Ruf verantwortlich war. Es fiel ihr nach wie vor schwer zu glauben, dass Butchs schwerhöriger Bruder gerade ihr verfallen gewesen sein sollte. Warum hatte er nie etwas gesagt? Nicht, dass es ihn irgendwie weitergebracht hätte. Aber zumindest wäre ihm eine geringfügig freundlichere Behandlung zuteilgeworden. Nein - ihr Herz gehörte Dog, seit er es der Red Dragon Gang zusammen mit ihrem Körper entrissen hatte. Selbst Cole war nur ein Spielzeug in ihren Händen gewesen, mit dem sie Dog eifersüchtig machen wollte und zudem ihre eigenen Triebe befriedigen konnte, wenn der Hüne gerademal wieder den Kriegsherren in der Wüste mimte. Nun blieb ihr als einziger Trost der apokalyptische Untergang, bei dem ihr mächtiger Gefährte sein heroisches Ende gefunden hatte; gemeinsam mit General Monroe, dem sie ebenfalls ein würdiges Denkmal zu setzen gedachte. Insgeheim beneidete sie die gefallenen Helden, die auf ewig in den Geschichten beider Seiten weiterleben würden, während sie den Karren aus dem Dreck ziehen musste, wie der alte Paul es ausgedrückt hatte.
    Kaum war die Sonne hinter dem Horizont verschwunden, banden sich Angel und Cassidy die langen Haare eng am Kopf zusammen, um nicht aufgrund eines zufälligen Windhauchs entdeckt zu werden. Zu dritt schmierten sie sich gegenseitig das Gesicht mit Tarnschminke ein. Anschließend führte Angel die Geschwister im Gänsemarsch durch den Vorstadtdschungel bis zu den Ausläufern des Kanalisationssystems. Das Nachtsichtgerät aus der verfluchten Militärbasis kam ihr dabei sehr gelegen. Butch hatte sie mit einem selbstgebauten Adapter zum Aufladen an der Autobatterie des Humvees versorgt. Cassidy und ihr Bruder mussten sich mit dem spärlichen Licht der abnehmenden Mondsichel am Himmel begnügen. Je näher sie Brackwood kamen, desto häufiger stoppte Angel ihren geduckten Vormarsch, suchte nach Sicariipatrouillen, die bei Einbruch der Nacht zugenommen hatten, und ließ sie unbehelligt passieren. Weit entfernten diese sich jedoch nie von der Stadt, weswegen Angel froh war, den Humvee einige Kilometer außerhalb des Vorpostens versteckt zu haben.
    Nachdem sie sich dem Maschendrahtzaun des Stützpunkts bis auf einhundert Meter genähert hatten, erfuhren sie den Grund für die vielen eingestürzten Gebäude, denn plötzlich begann die Erde unter ihren Füßen zu beben. Eine Patrouille, die gerade auf ihrer Höhe an der Absperrung nach Auffälligkeiten suchte, krallte sich an den Maschen fest, um nicht zu Boden zu stürzen. Dabei fiel ihr Blickfeld genau auf Angels Annäherungsweg.
    »Nicht bewegen«, zischte sie den Geschwistern leise zu und erstarrte selbst zur Salzsäule. Caiden lehnte in diesem Moment an einem alten Elektroautowrack und hatte keine Probleme mit dem Befehl. Seine Schwester hingegen hockte zwischen einem gelben Schulbus und einer defekten Werbetafel. Solange sie unbeweglich blieb, könnten die Sicarii

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