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Revelations

Revelations

Titel: Revelations Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Fischer
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Fahrt bemerkt und wollte nun endlich wissen, wie sie daran gekommen war.
    »Sollte ich je in Bedrängnis geraten, müsste ich es nur vorzeigen«, wiederholte Angel Jades prophetisch klingende Worte. Anschließend reichte sie ihrer Schülerin die Silberplakette, die mit ihren zarten Fingern über die Gravuren strich.
    »Sicariianisches Imperium«, murmelte Angel nachdenklich. »Lächerlich.«
    »Kannst du lesen, was da auf dem Rand steht?«
    »Concordia, Convocatio, Dicio.«
    »Aha«, erwiderte Cassidy schnippisch. »Und was heißt das?«
    »Keine Ahnung. Ich weiß ja nicht mal, was für eine Sprache das ist«, sagte Angel. »Ich hab versucht, es rückwärts zu lesen oder die Buchstaben anders anzuordnen, aber es ergibt einfach keinen Sinn.«
    »Und was bedeutet der Vogel auf der Rückseite mit seinen riesigen Augen?«, fragte Cassidy. Angel zuckte mit den Schultern und ließ sich das Silberamulett zurückgeben.
    »Sieht aus wie eine Eule«, antwortete sie und untersuchte die fingernageltiefe Gravur im Taschenlampenlicht genauer. »Ich glaube, diese Biester sind nachtaktive Jäger und brauchen deswegen so große Augen.«
    »Und die blinde Frau?«
    »Da klingelt was bei mir«, überlegte Angel. »Irgendwas mit Recht und Gesetz. Diese neue Freundin von Stan, Mary, hat uns doch davon erzählt.«
    Cassidy erinnerte sich an Marys Geschichten des präapokalyptischen Rechtssystems. Weder sie noch Angel konnten die Erzählungen von Anwälten und Richtern glauben, die in feine Anzüge gekleidet über Verbrechen urteilten. Die Frau mit den verbundenen Augen nannte Mary Justitia und bezeichnete sie als das Wahrzeichen dieses Systems.
    »Soll das heißen, Jade sieht sich als eine Art Richterin?«, fragte Cassidy.
    »Naja«, erwiderte Angel und legte den Kopf auf die Seite. »Sie erschießt und ersticht ihre eigenen Leute. Das hätten mir nicht mal die Vultures ohne Weiteres durchgehen lassen.«
    Neugierig kratzte sie mit ihren Fingernägeln zwischen der sauber ausgestanzten Figur herum. Besonders am scharfen Schnabel der Eule fanden sich winzige Teile einer weinroten Substanz, die sich wie Kerzenwachs zerdrücken ließ. Nach diesem Erfolg untersuchte sie die Rückseite mit dem Frauenkopf und entdeckte dort dieselben Rückstände. Verwundert blickte Cassidy ihr hinterher, als sie aus ihrem Armeerucksack Victors letzte Sprengladung hervorholte und den Anhänger in die kaugummiartige Masse drückte. Zum Vorschein kam ein ungefähres Abbild der Gravur. Nun wurde ihr klar, dass das Amulett weit mehr als ein Schmuckstück war. Es diente wohlmöglich als Siegel für Jades Befehle. Nur warum hatte sie es dann gerade ihrer ärgsten Feindin geschenkt?
    »Hast du ihr eigentlich deine falsche Karte zugesteckt?«, fragte Cassidy zurückhaltend. Angel war einerseits froh, dass ihr Flüsterton in Brackwood den gewünschten Effekt erzielt hatte, andererseits wollte sie ihre Schülerin aber auch nicht anlügen.
    »Ich hab ihr gesagt, sie soll nicht allein gehen«, antwortete sie nickend. »Die Warnung war ich ihr schuldig.«
    Ohne auf Bestätigung oder Tadel zu warten, stand sie auf und verstaute die Sprengladung wieder in ihrem Rucksack auf der Ladefläche. Cassidy zog die Beine an die Brust und verschränkte die Arme. Angel kannte diesen Blick. Sie wartete auf weitere Erklärungen, bevor sie sich ein Urteil erlaubte. Eine Eigenschaft, durch die ihrer Freundschaft schon so manche Streiterei erspart geblieben war.
    »Sie hätte mich bei unserem Kampf jederzeit töten können!«, begann Angel sich mit erhobenen Armen zu rechtfertigen, ehe sie wieder auf dem Beifahrersitz Platz nahm. »Stattdessen hat sie uns gehen lassen, mir Dog fein säuberlich verschnürt zurückgegeben und sogar noch gesagt, wo wir Hilfe finden würden.«
    »Sie hat was!? Wo denn?«
    »Wir sollen das Gebirge überqueren und uns an eine Schlucht halten, bis wir zu einer Brücke kommen. Wenn wir die in Richtung Osten überquert haben, werden wir nach einer Tagesreise auf etwas stoßen, dass uns zumindest weiterhelfen könnte«, wiederholte Angel die Anweisungen schulterzuckend. »Sie ist nicht ins Detail gegangen, ebenso wenig wie ich. Jade glaubt, oder vielmehr glaubt nicht, dass sich in der Militärbasis eines unserer Waffenlager befindet. Sie wird trotzdem hinfahren, genauso wie ich ihrer Wegbeschreibung folgen muss.«
    »Ist das wieder so eine Mission, bei der du gezwungen bist, allein zu reisen, dann aber doch das gesamte Team mitnimmst?«, wollte Cassidy grinsend wissen.

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