Revelations
Gleichzeitig vergrub sie ihren Kopf zwischen den angezogenen Knien, um eventuellen Vergeltungsmaßnahmen zu entgehen.
Abseits der Lichtung lauschte Caiden mit Genugtuung dem fröhlichen Gelächter seiner Schwester. Er konnte sich kaum noch an das letzte Mal erinnern, als er sie so unbeschwert hatte lachen hören. Faith hingegen saß auf einem Baumstumpf, wo sie mit Hilfe einer Taschenlampe die Einstiche an ihren Armen begutachtete. Jade war bei dem Verhör nicht zimperlich vorgegangen, aber die Wunden verheilten bereits. Als sie Caidens Schritte hinter sich vernahm, wollte sie aufstehen und nach ihrem Schlafsack sehen, doch er hielt sie mit sanftem Druck auf den Schultern zurück.
»Wer bist du?«, hauchte er und holte dabei die zusammengefaltete Botschaft hervor. Sie standen kurz vor dem Kloster und trotz seiner tiefen Zuneigung würde er seine Schwester nicht länger durch die Anwesenheit einer Verräterin in Gefahr bringen. Außerdem verlangte sein Innerstes nach einem Grund für ihre Handlungen.
Faith suchte seit ihrer Flucht nach den richtigen Worten; ohne Erfolg. Stattdessen übergab sie ihm die kleine Stabtaschenlampe. Anschließend streifte sie den handbreiten Korsettträger von ihrer linken Schulter, bis der Kopf einer Frau mit verbundenen Augen zum Vorschein kam, der eine exakte Kopie der Gravur von Jades Amulett war. Nun verstand Caiden, warum ihm das Symbol so bekannt vorgekommen war.
»Wir nennen uns Bacchae. Agentinnen der Sicarii«, sprach sie mit versteinertem Blick. »Jade und ich hatten den Auftrag, die südlichen Wastelands zur Vorbereitung unserer Invasion zu infiltrieren. Ich sollte die Vultures unterwandern, Jade die Ranger.«
Im Flüsterton erklärte ihm Faith, dass besonders attraktive, intelligente oder anderweitig außergewöhnliche Mädchen bereits an der Grenze zum Teenageralter ausgewählt und in der Kunst der Infiltration, Sabotage und Verführung geschult wurden, um später als Bacchae tief im Feindesland operieren zu können. Dort dienten sie häufig als Assassinen und Aufklärerinnen, aber mitunter auch als verdeckte Diplomatinnen, wie es mit Faith bei den Vultures der Fall gewesen war.
Caiden erfuhr nun als Einziger, dass die Gerüchte über Faiths ungewöhnlichen Eintritt in die Gang durchaus der Wahrheit entsprachen. Nach zweiwöchiger Observation aus der Ferne hatte sie sich entschieden, mit Einschüchterung mehr erreichen zu können, als mit einem offenen Angebot. Um Mitternacht und im Schutze des Neumonds kletterte sie über die Festungsmauern des ehemaligen Gefängniskomplexes und schlich sich in Erics Quartier. Sie sorgte mit Absicht dafür, dass seine Leibwachen sie entdeckten, wodurch der Riese erwachte und mit ansah, wie Faith seine Männer in einem Wirbelwind aus Blut und Stahl umbrachte. Ihre Einschätzung seines inflationären Egos erwies sich als korrekt, denn er rief nicht um Hilfe, sondern ließ sich auf einen Zweikampf ein. Überlegen säuselnd berichtete Faith, wie sie ein paar Minuten lang mit ihm spielte, bevor ihm die Luft ausging und er sich kurz darauf mit einer Klinge am Hals auf dem Boden wiederfand.
Erst jetzt offenbarte sie ihm, wer sie war und warum er auf ihr Angebot eingehen sollte. Provinzen der Sicarii, die dem Imperium aus freien Stücken die Treue geschworen hatten, genossen einen hohen Status und eine gewisse Unabhängigkeit. Im Gegenzug waren sie gezwungen, sich an den Feldzügen mit eigenen Legionen zu beteiligen und regelmäßige Abgaben zu entrichten, die einer aggressiven Macht wie den Vultures jedoch nicht schwerfallen würden. Faith malte dem stolzen Riesen Bilder von großen Schlachten und reicher Beute, die er zum Teil für sich behalten dürfe. Außerdem versicherte sie ihm militärische Unterstützung zur Lösung des Ranger-Problems. Eric stimmte nicht sofort zu, schwor aber angesichts der Klinge an seinem Hals, ihr Angebot in Erwägung zu ziehen und Stillschweigen darüber zu bewahren.
Bei den folgenden Verhandlungen wurde Faith bewusst, dass der Egomane seine eigenen Kräfte maßlos überschätzte. Sie musste ihm einen Dämpfer verpassen und die Vernichtung von Dogs Team mitsamt dem Wüstenschlachtschiff STELLA sollte ein klares Zeichen der sicariianischen Überlegenheit aussenden. Faith ließ sich dem Sattelschlepper zuteilen und plante fortan den Hinterhalt auf Erics rechte Hand, was schließlich in der Nachricht an Jade gipfelte.
Womit sie jedoch nicht gerechnet hatte, war die tiefe Zuneigung gegenüber Caiden. Zu Beginn
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