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Revierkönige (German Edition)

Revierkönige (German Edition)

Titel: Revierkönige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Gerlach
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freier Mensch sein, man muss sich entfalten können, er war nicht der Typ, der sich etwas vorschreiben ließ.
    „Weißt du, was Sartre gesagt hat? Der Mensch muss sich erst zu dem machen, was er ist.“ Vera nickte, konnte in jenem Moment aber nichts mit dem Satz anfangen, denn Olaf blickte auf ihren Mund und sprach weiter. „Dieser ganze Scheiß, echt ej, und morgens um acht antreten, nee nee, nich mehr mit mir.“
    Beeindruckend. Ein freier Mensch. Was er sagte, klang gut durchdacht, seine Hände lagen ruhig auf den überkreuzten Knien, ein Foto.
    Zwei Tage später trug sie ausnahmsweise einen Rock, die Haare kürzer, und lief herzklopfend durch ein Stadtviertel, in dem sie vorher noch nie gewesen war. Sie suchte ein hohes grünes Haus mit einem Zeitungsladen und einer halb leeren Fahrradwerkstatt im Erdgeschoss, die Straße erstreckte sich bis ins Unendliche, sie fühlte sich einer Ohnmacht nahe, und dann betrat sie zum ersten Mal die Gemächer von Olaf Keune.
    Da wo alles angefangen hatte: Haut, seine und ihre Haut. Dieses Zimmer, in dem sie sich nicht ausweichen konnten, in dem ihre Augen vergeblich nach etwas suchten, woran sie sich festhalten konnten, denn keiner wollte sich in den Augen des anderen bei seinen Gedanken ertappen. Später dann kehrte noch lange keine Ruhe ein, unmöglich. Es wurde nicht besser, es wurde schlimmer, es verklemmte, nichts ging vorwärts, die Missverständnisse erstickten einen. Um Vera zu verstehen, hätte er mit ihr schlafen müssen. Aber manchmal ging selbst das nicht, er fand keinen Zugang zu ihr. Dann spielten sie Trennung und Verzweiflung. Und trennten sich und verzweifelten wirklich.
    Vera sagte sich, dass das jetzt endgültig vorbei war, während sie hin und wieder ausspuckte, um den säuerlichen Geschmack in ihrem Mund loszuwerden. Man versuchte, es besser zu machen, kämpfte für etwas, das einem wertvoll erschien, auch wenn sich eines Tages zeigen würde, aus welchem Stoff das gemacht war: Illusion.
    Um zwanzig nach drei bog sie in die Heroldstraße ein. Als sie vor der Hausnummer 48 zum Stehen kam, merkte sie, dass sie völlig außer Atem war. Eine schmutzig-weiße Tür in einem grauen Eingang in einem grauen Haus, in dem kein Licht mehr brannte. Keune. Der Name auf dem Klingelschild gab ihr die Gewissheit, dass er da war. Oben stand die Tür offen. Sie ging sofort ins Schlafzimmer, selbstmitleidig, vorwurfsvoll, auf den Lippen die Frage, die sie nicht stellte, als sie ihn sah. Schweigend zog sie sich aus.
    „Komm“, sagte er, als sie sich neben ihn legte. „Nur noch wir beide. Nur noch wir beide.
     
     

II
    Skins
    Motte ist krank
    Fünf Jahre auf 18m²
    Alk, Die Entscheidung
     
     
    „Alter, und dann hab ich abgespritzt, so was hast du noch nich gesehn! Von diesem Sessel hier bis dahinten zur Tür!“
    „Boo, du bist echt ´n Schwein, Spargel! Außerdem geht das gar nicht. Bis zu der Tür sind es mindestens drei Meter!“
    „Alter, ich schwör´s dir. Bis daahin! Ich hab die Soße noch vom Glaseinsatz abgewischt.“
    Dann lachten sie sich schief, dass ihnen die Bäuche wackelten und die Augen tränten. Frank Diepenbrock saß seit einer Stunde mit seiner selbst gedrehten, kalten Zigarette in der Hand auf dem Sofa, seine langen Beine einigermaßen bequemlich geordnet, während Olaf Keune immer noch mit der Jeans in der Hand barfuß neben der Spüle stand. Er kam einfach nicht dazu, sich anzuziehen. Sie hatten was geraucht, und wenn man einmal ins Quatschen kam, konnte man eben nicht mehr aufhören. Jetzt hatte er einen trockenen Mund und Hunger.
    „Ich glaub, ich mach ma was zu futtern. Willste ´n Happen mitessen?“
    „Ja, gerne.“
    Es kam selten vor, dass Frank richtig Appetit hatte, noch seltener, dass er sich etwas zubereitete, was als Mahlzeit durchgehen konnte. Frank war ein ungesunder, hellhäutiger deutscher Junge, der hätte sehnig und sportlich geraten können, hätte seine Ernährung nicht aus Kaffee, Zigaretten, Bier und Pommes bestanden. Da er nachts meistens unterwegs war (siehe auch Kap.I), mangelte es ihm an frischer Luft und Schlaf, und bestimmt auch an Vitaminen.
    Olaf zog endlich seine Jeans an und Frank zündete endlich seine Selbstgedrehte an.
    „Mann, irgendwie habbich zugenommen.“
    „Von irgendwie kommt das nicht. Trink weniger Bier, ab 30 kriegt man ne Wampe davon.“
    „Ich bin aber noch nich 30.“
    „Es fehlt aber nich mehr viel.“
    Olaf versuchte, in die Hocke zu gehen, federte ein bisschen und bekam eine rote Birne.

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