Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Revierkönige (German Edition)

Revierkönige (German Edition)

Titel: Revierkönige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Gerlach
Vom Netzwerk:
lange grün und blau, bis Olaf mit sechzehn ein Wettsaufen gegen ihn gewann. Das imponierte dem Walter Keune, dass sein Stiefsohn noch an der Theke stand, als der Alkohol ihn selbst wie einen nassen Sack umkippen ließ. Da war er stolz. „Dat iss mein Sohn“, sagte er zum Wirt, „der verträgt wat.“ Nur ein einziges Mal noch versuchte er´s. Da wollte er sich noch mal richtig aufspielen und zeigen, wer die Hosen anhatte, aber da hatte Olaf gerade seine Gesellenprüfung bestanden und fast seine volle Körpergröße erreicht. Seine Freunde nannten ihn Spargel, und Spargel wischte einfach die behaarten Pranken von seiner Schulter und sagte: „Du fasst mich nicht mehr an!“ Dann war Ruhe. Er blieb sowieso nicht mehr lange. Er zog zu einem Arbeitskollegen, und dann in ein besetztes Haus, wo er Skin-Hansi, der damals noch nicht Skin war, Migge und Volker kennenlernte. Dann ging der Punk ab. Das reinste Frühlingserwachen. Zu Hause rückte weit weg. Leider auch Benny, sein Halbbruder. Er war vielleicht das einzig Gute, was der Keune und seine Mutter je zustande gebracht hatten. Benny wurde nicht geschlagen, aber er hatte trotzdem immer Angst vor seinem Vater. Wenn der sich am Wochenende volllaufen ließ und nach Hause kam, dann setzte Benny sich unter die Eckbank in der Küche und hatte Schluckauf, jedes Mal. Aber im Gegensatz zu seiner Mutter und obwohl er Angst hatte, blieb er nicht still, wenn der Alte seinen Gürtel von der Hose zog. „Nich den Olli haun, nich den Olli haun!“
    Jetzt war der Alte schon seit Jahren tot, Benny ging auf die Fachschule für Sozialpädagogik und wohnte mit seiner Freundin zusammen. Einmal hatte er ihm eine Postkarte von der Adria geschickt. Olaf meldete sich nie bei ihm, vielleicht sollte er das endlich mal machen, Benny mal besuchen. Aber sein Halbbruder würde ihn immer an etwas erinnern, an das er nicht erinnert werden wollte. Obwohl er gar nichts dafür konnte. So war das leider.
     
    „Tach, Herr Keune, was daafs denn sein?“
    Die Frau, die hätte seine Mutter sein können (vielleicht war sie´s ja), war weg und die Reihe an ihm. „Äh ..., ja, also: 200 Gramm von dem Schinken da, von dem gekochten. Der sieht ja gut aus.“
    „Der sieht nich nur gut aus, der iss gut, ganz saftich. Daafs sonst noch was sein? Ich hab schöne frische Leberwuast.“
    „Nee, das reicht für heute, andermal vielleicht. Also, Wiedersehen.“
    „Wiedersehen, Herr Keune. Schön Tach noch!“
    Draußen stellte er fest, dass er tatsächlich nur dieses Schinkenpaket in der Hand hielt. Brauchte er nicht noch was? Hatte er da drinnen nicht einen Einkaufswagen mit Sachen gehabt? Er konnte es wirklich nicht sagen. Immerhin wusste er, was er jetzt machen musste: den Schinken nach Hause tragen und in den Kühlschrank legen. Er zwängte sich durch das Leutegewühl auf dem Bürgersteig. Musste wohl am Wetter liegen, dass sie alle aus ihren Löchern kamen. Er streckte einem Kind, das ihn trotzig anstarrte, die Zunge raus. „Mama, der Mann hat mich die Zunge rausgeschträäckt“, beschwerte sich das Kind und zeigte mit seinem speichelfeuchten Finger auf den Spargel. Die Mutter, höchstens Anfang zwanzig, mit schwarz gefärbten, struppigen Haaren, aber ganz hübschen Beinen, wie er bemerkte, war mit ihren Plastiktüten beschäftigt und sah jetzt auf. „Habbich nich schomma gesacht, du solls nich lügen?“ Und haute dem Kleinen eins auf den Hintern. Er fing an zu brüllen, der Spargel lachte in sich hinein.
     
     
    Skin-Hansi war gerade dabei, Dosen und Wurst im Küchenschrank zu verstauen, als ihn ein dringendes Bedürfnis überkam. Das kam ungünstig, denn genauso dringend war es, die Stiefel zu putzen, auf denen er ein paar Dreckspritzer entdeckt hatte. Also schnappte er sich einen Putzlappen, beziehungsweise das Abtrockentuch, das auf der Spüle lag, und rannte zum Klo. Andere Leute lesen Zeitung, machen Kreuzworträtsel oder lesen das Kleingedruckte auf den Duschgels – „... macht die Haut zart und geschmeidig ..., enthält Parfum, Diethylphtalat, Formaldehyd etc.“ – Hansi putzte seine Stiefel. Das tat er mindestens zweimal am Tag, mittlerweile mehr aus Gewohnheit. Die guten alten Martens mussten glänzen wie eine Speckschwarte. Bei den anderen war das genauso. Mochten sie in vieler Hinsicht kleine Dreckschweine sein, die Stiefel waren immer sauber. Es klingelte an der Tür. Hansi machte keine Anstalten aufzustehen, er war viel zu beschäftigt. Aber es klingelte wieder und wieder.
    „Ja iss das

Weitere Kostenlose Bücher