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Revierkönige (German Edition)

Revierkönige (German Edition)

Titel: Revierkönige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Gerlach
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was ich brauche. Und was er am Leib trug – die 501, Cowboystiefel, Hemd –, das passte zu diesem Seesack und zu ihm, jetzt so ballastfrei wie die Protagonisten in Kerouacs On the road. Er konnte kaum etwas essen, die Gedanken an das Neue, Weite und Ungewisse füllten ihn bis obenhin und an manchen Tagen wäre er fast übergeschnappt. „Ich glaub jeden Moment, ich hyperventiliere“, sagte er zum Frank, der die ganze Geschichte noch nicht glauben konnte und den Spargel nicht ohne Bewunderung betrachtete. Frank war auch ein bisschen traurig, diese Küche würde ihm fehlen, na ja und der Spargel natürlich auch.
    Olaf wollte gut drauf sein. Noch besser, da ging noch was, da war noch was rauszuholen, auszukosten, bloß nicht nachdenken jetzt, genießen, Alter. Sein Herz pochte schwer und schien seinen gesamten Brustraum auszufüllen und dann auf einmal schien es verschwunden zu sein, um kurz darauf wieder hervorzupreschen und davonzurasen. Er setzte sich auf den Fußboden, um sich eine Dose fertig zu machen. Morgen Vormittag wollte der Motte kommen und den Schlüssel für die Wohnungsübergabe abholen. Er machte das für ihn. Der Motte war einfach nett. Er schickte ihm auch die Stereoanlage und den Fernseher hinterher und wollte mit dem Lieferwagen von seinem Chef sogar die Couch zum Sperrmüll bringen. Die anderen Möbel waren schon weg. Dafür schenkte Spargel ihm zwanzig Kassetten und ein großes Stück afghanische Kacke, der Motte bekam ganz feuchte Augen, wollte gar nicht so viel, der Motte ist einfach zu bescheiden. Die beiden Holzkisten mit den restlichen Kassetten hatte er Martina zur Aufbewahrung gegeben. Er konnte ja immer mal wieder was mitnehmen, wenn er zu Besuch kam.
    Ja, er würde zurückkommen, aber nur zu Besuch.
    Er rauchte eine Weile gedankenlos vor sich hin, hörte der Musik nicht zu und wurde unruhig. In der leeren Wohnung abzuhängen, kam nicht gut. Abbruch, Aufbruch, Neuanfang – große Gewichte bewegten sich da durch die Küche. Er stand auf, zog seine warme Jeansjacke an und sah auf seinen Seesack. Er lächelte, er fühlte sich bestimmt gut. Als die Wohnungstür hinter ihm ins Schloss fiel, hörte sich das an, als ob er seine Wohnung schon endgültig verlassen hatte. Dauerte nicht mehr lange, nur noch ein paar Stunden.
     
    Das Hades hatte immer noch nicht dichtgemacht, aber das war nur noch eine Frage der Zeit, denn der Laden hatte was von vergammelter Ware und die ganze Einrichtung samt Personal wirkte so abgelutscht wie die Schwänze der kleinen Ganoven, die sich neuerdings hier in der Gegend wichtig taten. Nur die Musik war gut. Ivo legte auf. Spargel hatte ihn früher bewundert, als er zu den ersten Punks in der Stadt gehörte. Er hielt sich dann meistens in Düsseldorf auf und irgendwann sah man ihn überhaupt nicht mehr. Es hieß, er wäre bei einer Band oder in London oder weiß der Geier wo. Ein ernster junger Mann, immer noch, obwohl nicht mehr so jung, aber immer noch ernst, ein Einzelgänger, der Worte karg austeilte. Was der auflegte, würde erst im nächsten Jahr bekannt werden.
    Olaf setzte sich an die Bar, hinter der Anke in einem schwarzen Schlauchrock bediente, in dem sie nur ganz kleine Schritte machen konnte. Sie sah gut aus. Auch ihre Tage hier waren gezählt, denn sie hatte einen Fotografen kennengelernt und der wollte seine Beziehungen spielen lassen, so dass Anke-Maus mit ihrer tollen Figur vielleicht bald viel Geld verdienen würde, vielleicht sogar Playboy oder Penthouse oder so.
    „Na Spargel, auch ma wieder da?“ Sie zapfte ihm ohne zu fragen ein Bier mit vollendeter Schaumkrone und stellte es auf die Theke. Sie roch nach einem extrem süßen Parfüm.
    „Führe mich nicht in Versuchung, Schwester“, sagte Spargel und nahm ein paar große Schlucke. Er hatte Durst. Woher kam dieser Durst auf einmal? Es war nicht viel los. Die Leute trudelten langsam ein, nur Frank Diepenbrock nicht, das war ungewöhnlich.
    Wie viele Stunden und wie viele Biere es waren, wusste er nicht mehr. Er hatte sich nur einmal von seinem Hocker erhoben, um pinkeln zu gehen, ansonsten sah er sich die Leute an, von denen er die meisten nicht kannte, und süppelte in sich hinein, aber immer noch mit Genuss und relativ klarem Verstand. Ohne dass es ihm bewusst war, beobachtete er schon eine ganze Weile ein untersetztes, etwas stämmiges Mädchen. Schien doch tatsächlich allein zu sein und saß etwas missmutig an der Theke. Höchstens sechzehn mochte sie sein, doch unter ihrem eingelaufenen

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