Revierkönige (German Edition)
erhöhte, aber auch da kamen dem Spargel schnell Ideen. Er brauchte nur sein Geschäft ein bisschen auszuweiten. Gleich heute würde er IHN um ein Gespräch bitten. Und wenn es drauf ankam, konnte Spargel auch sehr sparsam sein, er hatte eben Talent zur Ökonomie. Was son richtiger Kaufmann ist. Es hätte alles gestimmt, wäre da nicht diese Reaktion der anderen gewesen, diese Skepsis in ihren Gesichtern. Stell dir das bloß nicht so leicht vor, sagten sie.
„Macht Euch ma keine unnötigen Sorgen“, sagte er verärgert. „Iss ja auch nich Euer Problem. Oder meinter, ich bin blöd?“
Liebe, gut und schön, sagten sie. Liebe kann aufhören. Liebe kann ganz einfach aufhören. Ach Liebe, na ja.
Wer wagte es, so etwas zu sagen? Wie eine fette kalte Suppe lag es ihm im Magen. Paniksuppe, die mochte er nicht. Es gab Dinge, die einen aufhielten, die störten und einem zusetzten. Sie hießen „Dinge“, weil sich dahinter all das verbarg, was man nicht beim Namen nennen wollte. Die Liebe, diese eine Liebe, die würde nie aufhören. Niemals. Er schluckte, sein Herz raste, als wäre er soeben kilometerweit für diese Liebe gerannt. Sie waren zu weit gegangen. Bert und Martina, er verachtete sie. Was wussten die schon mit ihren kleinen, beschränkten Hirnen, in ihrer kleinen, beschränkten Welt?
„Ich mein ja nur“, sagte Martina aufgeregt.
Jetzt waren sie zu weit gegangen. Ich glaub, ich muss hier ma renitent werden, dachte er und stand auf. Dieses Wort kam ihm jetzt in den Sinn. Es war eines dieser Wörter, auf die er in Zeitschriften oder Büchern gestoßen war, interessante Wörter, die er dann nachschlug und lernte. Renitent gebrauchte er gern gegenüber denen, die bei ihm zu viel mitrauchten und zu wenig abkauften, auch wenn das nicht so genau stimmte. Und jetzt war es die Renitenz des Wortes, die seine Wut abkühlte und ihm bei einem gelungenen Abgang half. Man musste sich nicht alles bieten lassen, auch nicht von Leuten, die einen gut kannten. Gerade von solchen nicht.
Im Treppenhaus atmete Spargel erleichtert auf und ging langsam die golden schimmernde Treppe hinab, die an anderen Tagen bloß mit ockerfarbenem Linoleum überzogen war, aber heute waren es die goldenen Stufen, die in die Zukunft hinabführten. Ein feuchter Geruch wehte ihn vom Hafen her an. Er ging ein paar Schritte und fühlte sich besser. Er wollte sich gerade seinen Walkman auf die Ohren setzen, als er Martina hinter sich hörte. „Olaf! Jetzt warte doch maa!“ Die war aber jetzt aus dem dritten Stock gewetzt!
Olaf sah nicht nur ihre Verzweiflung, er roch sie. Er genoss den Blick aus ihren dunklen Augen. Er wurde großzügiger und hatte jetzt ein bisschen Mitleid mit ihr. Er spürte, dass er keine Miene verzog, spürte die ganze Breite seines Mundes, deren Enden nach unten zeigten. Er spürte seine Potenz, seine Ausstrahlung und wusste, dass er sich alles erlauben konnte.
„Entschuldige bitte. Tut mir echt leid, was ich gesagt hab. Ich meinte das nich so.“
Er nickte und musste ein bisschen lächeln, wusste aber nicht, ob das Lächeln nur innen war oder ob man es auch von außen sah.
„Das kam so plötzlich, du hast mir gar nichts davon erzählt. Wieso hast du nich ma was gesagt?“
„Weil ich das einfach nicht angebracht fand.“
„Iss ja auch egal. Ich will nich mit dir streiten. Wir sehen uns ja sicher noch. Und wenn ich dir was helfen kann, sag mir ruhig Bescheid. Rufst du mich an, hm?“
Er lächelte. Liebevoller. „Ja klar, mach ich.“ Und dann schmeckte er ihre Verzweiflung sogar auf seiner Zunge. Aber er fühlte sich zu gut, um der leichten Erregung nachzugeben.
Erst am übernächsten Tag fühlte er sich wieder schlechter. Die Zweifel eben, und die Panikwellen, die im Zwei-Stunden-Takt anrauschten, da konnten auch mehrere Rauchdosen nichts dran ändern. Er musste raus, sich die Beine vertreten, sich ablenken. Batterien für seinen Walkman kaufen war eine gute Ablenkung. Dann war er aber mit offenen Augen unterwegs und betrachtete alles voller Hass. Dass er die Zweifel oben in seiner Wohnung gelassen hatte, machte es nur schlimmer, denn er wusste, sie würden auf ihn warten und er fühlte sich wie eingeklemmt zwischen ihnen und seinem Widerwillen hier draußen. „Am liebsten würde ich kotzen“, sprach er laut vor sich hin und sah nicht weg. Der Hass steckte wie ein Kloß in seinem Hals, drehte ihm die Luft ab. Warum erlaubten sich die Menschen, die ihm auf der Straße begegneten, ihn durch ihren Anblick zu
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